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News: Im Namen der Gesundheit

Vorübergehende chemische 'Kastration' könnte helfen, das geschädigte Immunsystem von Menschen mit HIV oder solchen, die eine Chemotherapie oder Knochenmarktransplantation hinter sich haben, zu regenerieren. Durch einen vorübergehenden Produktionsstop von Geschlechtshormonen, so glauben Forscher in Australien, könnte die Funktion einer Drüse unterstützt werden, in der sich lebenswichtige Immunzellen entwickeln.
T-Zellen greifen virenbefallene Zellen an und helfen bei der Koordination des Immunsystems. Sie entwickeln sich in der Thymusdrüse, tief in der Brust. In der Pubertät schrumpft die Drüse und ihre interne Struktur gerät in Unordnung. Deshalb waren viele Forscher bisher der Meinung, daß sie ihre Funktion einstellt.

Richard Boyd und Jayne Sutherland von der Monash Medical School in Melbourne haben nun jedoch an erwachsenen Mäusen gezeigt, daß die Thymusdrüse durchaus aktiv bleibt. Die Forscher injizierten einen Farbstoff in den Thymus, der heranwachsende T-Zellen markierte und verfolgten deren Übergang in den Blutkreislauf. Dabei entdeckten sie, daß der Thymus in erwachsenen Mäusen immer noch T-Zellen freisetzte, wenn auch nur ungefähr ein Zehntel der Menge wie bei jungen Tieren. Die beiden Wissenschaftler berichteten Anfang Dezember 1998 auf der Konferenz der Australasian Society for Immunology in Melbourne über ihre Erkenntnisse.

Als Boyd und Sutherland einige ihrer Versuchstiere kastrierten, entdeckten sie, daß der Thymus innerhalb von vier Wochen seine jugendliche Form zurückgewann und daß die Anzahl der erzeugten T-Zellen auf nahezu vorpubertäre Konzentrationen anstieg. "Es war erstaunlich", sagte Boyd. "Sobald wir die Steroid-Bremse lösten, erzielten wir eine vollständige Regeneration."

Doch nicht nur für Mäuse existieren neue Befunde. In einer anderen Studie zum selben Thema maßen Richard Koup vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas und seine Kollegen die Konzentrationen eines genetischen Nebenproduktes der vom menschlichen Thymus freigesetzten T-Zellen. Koups Team fand heraus, daß, wie bei Mäusen, die Drüse auch nach der Pubertät weiterhin funktionierte und zwar auf einem ähnlich reduzierten Niveau. Sie beschrieben ihre Erkenntnisse in Nature (Vol 396, S. 690).

Koup fand auch Anhaltspunkte dafür, daß der Anstieg der Konzentrationen von T-Zellen bei HIV-Patienten, die einer aggressiven Kombinationstherapie ausgesetzt sind, zumindest teilweise durch die Freisetzung der T-Zellen durch den Thymus verursacht wird. Dies deutet darauf hin, daß eine Unterstützung der Drüsenfunktion dazu beitragen könnte, AIDS zu bekämpfen. Aus den australischen Erkenntnissen wiederum läßt sich schließen, daß Medikamente, welche die Produktion von Geschlechtssteroiden unterdrücken und die Pubertät teilweise umkehren, das Immunsystem von Patienten mit AIDS oder Patienten, denen Immunsystem-hemmende Medikamente verabreicht wurden, stärken können.

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