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News: Impfung gegen das Vergessen

Hilflos, verwirrt, orientierungslos - Menschen mit der Alzheimer-Krankheit verlieren mit zunehmendem Alter immer mehr den Kontakt zu ihrer Umwelt, bis sie schließlich nicht mehr allein zurecht kommen. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, das scheinbar unwiderrufliche Vergessen doch rückgängig zu machen. Bei Mäusen zumindest konnten Forscher das Gedächtnis wieder auf Trab bringen - mit einer einfachen Impfung.
Zwei Merkmale kennzeichnen die Alzheimer-Krankheit: Zum einen die fortschreitende Demenz, welche die Betroffenen zunehmend vergesslich und hilflos macht. Und zum anderen die physische Veränderung des Gehirns, wenn sich im Laufe der Zeit das Peptid beta-Amyloid außerhalb der Gehirnzellen anreichert. Dabei tritt es entweder in unlöslicher Form auf und bildet die so genannten Plaques, oder es liegt in einer löslicheren Variante vor. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Eiweißklumpen die nachlassende Gehirnleistung verursachen und forschen daher nach einer Methode, mit der sie verhindern können, dass sich beta-Amyloid bildet, oder wieder abbauen lässt.

Dale Schenk und seine Kollegen von Elan Pharmaceuticals nutzten dafür das Immunsystem als Verbündeten. Sie impften transgene Mäuse, die ähnliche Ablagerungen von beta-Amyloid entwickeln wie Alzheimer-Patienten und deshalb als Modell dienen, mit eben diesem Protein. Der Körper bildete daraufhin Antikörper, die verhinderten, dass sich Ablagerungen bilden können und die sogar im Nachhinein Plaques wieder auflösten (Nature vom 8. Juli 1999). Allerdings litten ihre Mäuse nicht an Demenz, sodass die Wissenschaftler die Rolle der Ablagerungen für dieses Krankheitsmerkmal nicht untersuchen konnten.

Dieser Schritt gelang nun gleich drei Arbeitsgruppen: Die von ihnen gezüchteten transgenen Mäuse, die als Modell für die Alzheimer-Krankheit dienen, zeigten neben der Proteinklumpen mit zunehmendem Alter auch ähnliche Ausfallserscheinungen bei Gedächtnisleistungen wie ihre menschlichen Leidensgenossen. Als Test diente den Teams dafür das beliebte Wasserlabyrinth: In einer Wasserschale befindet sich eine Plattform, welche die Tiere im Dunkeln schwimmend wiederfinden müssen – auch wenn sich deren Position ändert. Ist das Erinnerungsvermögen der Mäuse beeinträchtigt, geraten sie dabei in Schwierigkeiten. Aber auch zu den Ablagerungen im Gehirn konnten die Forscher einige Neuigkeiten präsentieren (Nature vom 21. Dezember 2000).

Christopher Janus vom Centre for Research in Neurodegenerative Diseases der University of Toronto und seine Kollegen stellten beispielsweise fest, dass sich in den Gehirnen von mit beta-Amyloid immunisierten Tieren weniger fibrilläres beta-Amyloid ablagert als bei Kontrolltieren, während der Gesamtgehalt des Peptids im Gehirn aber gleich blieb. Dabei fanden die Forscher auch heraus, dass sie die Plaque-Bildung besonders erfolgreich verhindern konnten, wenn sie den Mäusen den Impfstoff in der beta-Faltblatt-Struktur verabreichten – denn in dieser Form liegt das Protein in den Plaques vor. Dann bildeten sich offenbar Antikörper, die spezifisch dagegen wirken und so die Menge dieser Form deutlich verringern. Der entsprechend größere Anteil der löslicheren beta-Amyloid-Variante wirkte sich hingegen nicht aus, woraus die Wissenschaftler schließen, dass diese nicht zu den Demenzerscheinungen beiträgt.

Außerdem prüften sie ihre transgenen Mäuse auf deren räumliches Gedächtnis und überwachten, wie sich die Gehirnleistung im Laufe der Zeit verändert. Dafür ließen sie die Plattform über die jeweiligen fünf Versuchstage hinweg zwar an derselben Stelle, schickten die Mäuse aber im Abstand von vier Wochen über etwa drei Monate immer wieder ins Becken. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die immunisierten Tiere hatten deutlich weniger Schwierigkeiten, auch im höheren Mäusealter die Aufgaben noch zu lösen als ihre nicht behandelten Artgenossen.

Dave Morgan vom Alzheimer Research Laboratory der University of South Florida und seine Mitarbeiter konzentrierten sich dagegen mehr auf das Kurzzeitgedächtnis ihrer Versuchstiere. Hier mussten die Mäuse mehrmals am Tag schwimmen, wobei die Plattform konstant blieb. Am nächsten Tag jedoch verlagerten die Wissenschaftler das Ziel, sodass sich die Tiere nur auf die unmittelbar neuen Erfahrungen verlassen konnten. Alle immunisierten Tiere hatten damit keine Probleme, sie schnitten mit zunehmendem Alter deutlich besser ab als die transgenen Kontrollmäuse und zeigten sich auch ihren nicht-transgenen Artgenossen gegenüber ebenbürtig.

Das Team um Guiquan Chen vom Department of Neuroscience der University of Edinburgh schließlich versuchte, die verschiedenen Einflüsse von zunehmendem Alter und Plaque-Ablagerungen zu trennen. Dabei stellten die Forscher fest, dass einige Schwächen der Gedächntnisleistung bei ihren Mäusen schon lange vor den ersten Plaques auftreten. Auf der anderen Seite werden offenbar nicht alle Lernprozesse beeinträchtigt: So hatten die Tiere zu keiner Zeit Schwierigkeiten, bestimmte Objekte wiederzuerkennen.

Insgesamt ist die Botschaft der Ergebnisse hoffnungsvoll, meint Paul Chapman von der Cardiff University. Denn die Arbeitsgruppen um Janus und Morgan konnten mithilfe der Impfungen die Gedächtnisleistung ihrer Versuchstiere tatsächlich nachträglich wieder verbessern. Allerdings beruhen die Erkenntnisse nur auf wenigen Verhaltenstests, und auch der Wirkmechanismus des Impfstoffes ist immer noch unklar. Bis daraus ein entsprechender Impfstoff für den Menschen entwickelt ist, wird demnach wohl noch einige Zeit vergehen.

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