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Molekularphysik: Innige Bewegungen

Beschießt man Atome oder Moleküle mit kurzen, intensiven Laserpulsen, dann antworten diese sie mit hochfrequenter UV-Strahlung im extremen UV-Bereich. Wie die Strahlenreaktion genau ausfällt, hängt von den atomaren Bewegungen im Inneren der Moleküle ab - und verrät Forschern einiges über Verlauf und Dauer der internen Molekülverschiebungen.
Die Messung von zeitabhängigen Abläufen in Molekülen wurde in den letzten Jahrzehnten durch die ständige Verbesserung der Lasertechnologie revolutioniert. Einen gewaltigen Fortschritt bedeuteten Femtosekundenpulse: Extrem kurze Laserblitze, die nur wenige Tausendstel einer Billiardstel Sekunde (10 bis 15 Sekunden) dauern. Das Licht legt in dieser Zeit nur tausendstel Millimeter zurück – während Licht während der normalen Verschlusszeit einer Fotokamera (1/60 Sekunde) immerhin die Strecke zwischen Berlin und New York schaffen würde.

Mit Femtosekundenpulsen konnten Nobelpreisträger Ahmed Zewail und andere vor etwa zwanzig Jahren erstmals den Zeitverlauf chemischer Reaktionen in Echtzeit verfolgen. Ihre Experimente basierten stets auf dem Pump-Probe-Prinzip: Ein Laserpuls startet eine Reaktion (Pump), ein zweiter Puls macht eine Momentaufnahme des Moleküls (Probe). Damit ist die Grundlage gelegt für veritable Filme der zeitlichen Vorgänge im Molekül: Viele Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Verzögerungszeiten zwischen Pumppuls und Probepuls werden hierfür hintereinander herstellt.

UV-Strahlung angeregter Wasserstoffe | Werden Atome oder Moleküle von einem kurzen intensiven Laserpuls getroffen, geben sie hochfrequente Strahlung im extremen UV-Bereich ab. In Molekülen wird dieser Prozess von den Schwingungen der Atome beeinflusst. Vergleicht man die Spektren von unterschiedlich schweren, aber sonst gleichartigen Molekülen (Isotopen), dann kann man aus der gemessenen Strahlung auf die Bewegung der Atome schließen. Hier dargestellt sind Rohdaten der gemessenen UV-Strahlung, die von Wasserstoff- (H2) und Deuterium-Molekülen (D2) unter dem Einfluss des starken Laserpulses emittiert wird. Eine zunehmende Pixelnummer entspricht dabei einer abnehmenden UV-Wellenlänge. Die stärkere Intensität des D2-Signals spiegelt die langsamere Vibration im Vergleich zu H2 wider.
Die bislang schnellsten Messungen zur Moleküldynamik wurden nun allerdings mit einem neuen Messverfahren am Imperial College London durchgeführt in den von Jon Marangos geleiteten Labors durchgeführt. Die Grundlage dafür bildet eine Theorie, die von ein deutsches Forscherteam um Manfred Lein ausgearbeitet hatte. Nur ein einzelner Femtosekunden-Laserpuls wird bei diesen Experimenten auf die Probe geschickt. Dieser Puls erzeugt ein elektrisches Feld, das ausreicht, um den bestrahlten Molekülen zu gewissen Zeitpunkten ein Elektron zu entreißen. So wird in dem aus dem Gleichgewicht geratenen Molekülrumpf ein Bewegungsablauf angestoßen. Weil das Feld des Laserpulses periodisch die Richtung wechselt, kann es das freie Elektron zum Ion zurücktreiben. So können sich Elektron und Molekülrumpf wieder vereinigen – und dabei ein hochfrequentes UV-Photon aussenden.

Dieser Prozess – und damit die Intensität der UV-Emission – wird um so unwahrscheinlicher, je weiter sich das Molekül in der Zwischenzeit von der Anfangskonfiguration entfernt hat. In der Sprache der Quantenmechanik: Die Wahrscheinlichkeit für Rekombination hängt vom Überlapp zwischen Anfangs- und Endwellenfunktion der Atombewegung ab. Durch Messung der Intensität des UV-Lichtes kann man also auf die zeitliche Entwicklung des Moleküls schließen.

Leider wird die Intensität der ausgesandten UV-Strahlung neben der Kerndynamik noch von vielen anderen Faktoren beeinflusst, zum Beispiel von der Wahrscheinlichkeit für die Ionisation des Moleküls. Dieses Problem umgingen die Forscher mit einem Trick: Sie betrachteten die Spektren zweier verschieden schwerer Isotope eines Moleküls. Isotope haben weit gehend identische Eigenschaften; sie unterscheiden sich nur durch die Masse der Atomkerne und führen deshalb unterschiedlich schnelle Kernbewegungen aus. Die jetzt veröffentlichten Experimente vergleichen zum einen die Spektren von Wasserstoff-Molekülen (H2) mit denen doppelt so schwerer Deuterium-Moleküle (D2), zum anderen werden die Spektren der Methan-Isotope CH4 und CD4 gegenübergestellt.

Bei der Messung der zeitlichen Entwicklung des Moleküls nutzten die Wissenschaftler einen glücklichen Umstand: Schon ein einziger Laserpuls erzeugt ein ganzes Spektrum an UV-Frequenzen, wobei die Frequenz des UV-Lichtes der Zeitdauer zugeordnet werden kann, die ein zurückkehrendes Elektron im Freien verbracht hat. Die höchsten Frequenzen stammen von den Elektronen, die am längsten unterwegs waren. Die Zeitauflösung der Messung ist also durch die Differenz benachbarter UV-Frequenzen im Spektrum bestimmt und liegt bei etwa einem Zehntel einer Femtosekunde. Durch Zuordnung von Frequenz und Zeit kann man aus den Spektren zweier unterschiedlicher Isotope die Zeitentwicklung rekonstruieren. Diese Aufgabe wurde im Falle des Wasserstoffexperiments mit Hilfe eines aufwändigen genetischen Algorithmus per Computer erledigt. Die genaue Analyse der Methandaten ist wesentlich komplizierter und steht noch aus.

Ein wesentlicher Vorteil der neuen Methode gegenüber dem traditionellen Pump-Probe-Prinzip besteht darin, dass schon ein einzelner Laserpuls genügt, um ein ganzes Intervall an Verzögerungszeiten abzutasten. Das vielfache Wiederholen des Experiments mit unterschiedlichen Pump-Probe-Abständen entfällt. Die Erstautorin der Originalveröffentlichung, Sarah Baker, findet die Resultate dementsprechen aufregend und zwar nicht nur weil "schnellere als bislang beobachtbare Bewegungen tatsächlich 'gesehen' werden konnten, sondern dies auch noch mit einer einfachen und kompakten Technik". Diese, so hofft Baker, werde ähnliche Untersuchungen Wissenschaftler überall auf der Welt ermöglichen.

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