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News: Inspirierende Viren

Grün ist die Blattfarbe des Sommers, nicht gelb. Kein Wunder, dass die japanische Kaiserin Koken das absonderliche Erscheinungsbild der Pflanzenwelt schon vor über tausend Jahren in Worte fasste - und das überaus poetisch. Jetzt könnte sie ihr Gedicht auch um den Auslöser der herbstlichen Färbung ergänzen.
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Das erste zarte Grün spitzt durch die braungrauen Pflanzenreste des letzten Jahres, überzieht Wälder und Wiesen mit dem leichten Farbhauch des jährlichen und doch immer wieder bestaunenswerten Neubeginns: Frühling. Nur wenige Wochen später ist alles Braun und Grau unter einer dichten grünen Decke verschwunden, gespickt mit den bunten fröhlichen Blütenfarben des Sommers. Dann der Herbst: Das satte, tiefe Grün verblasst, weicht einem blässlichen Gelb, bis Braun und Grau schließlich wieder die Oberhand gewinnen und alles unter dem Deckweiß des Winters begraben wird.

Grün und nicht gelb ist die Farbe des Sommers, das wusste auch die japanische Kaiserin Koken (718-770). Die Regentin, die den Thron zweimal bestieg und die damalige Gesellschaft mit einem ungeklärten Liebesverhältnis zu einem buddhistischen Mönch schockierte, gehörte zu den eifrigsten Autoren ihrer Zeit. Und während ihre Affäre dazu führte, dass Frauen für lange Zeit der japanische Kaiserthron verwehrt wurde, gingen zahlreiche ihrer Gedichte ein in das früheste lyrische Werk Japans: die Man'yoshu, eine Sammlung von über 4500 Gedichten aus dem frühen siebten bis zum mittleren achten Jahrhundert.

So beschreibt sie im Jahr 752 den wunderlichen Anblick von gelben Blättern mitten im Sommer. Frost, so mutmaßt sie, hat den frühen Herbst bei den Eupatorium-Pflanzen – Verwandten unseres Wasserdosts – hervorgerufen. Doch sie hat sich geirrt: Ein Virus ist der Schuldige für dieses gar nicht so seltene farbenfrohe Ereignis. Denn seit zwei Jahren machen Wissenschaftler das Eupatorium yellow-vein virus (EpYVV) für das frühe Welken verwantwortlich, dessen genetisches Material sie in infizierten Pflanzen nachweisen konnten.

Geminiviren, zu denen auch EpYVV gehört, packen ihr Erbgut allerdings nicht immer nur in ein Paket, manche nutzen deren zwei: Sie tragen so genannte Satelliten-DNA mit sich. Bisher war nur eine Komponente bekannt, Keith Saunders vom John Innes Centre und seine Kollegen argwöhnten jedoch, dass auch EpYVV so verfahren könnte – und sie wurden fündig. Als sie aus infizierten Pflanzen (Eupatorium makinoi) Erbgut isolierten, konnten sie auch die ringförmige DNA-Sequenz eines solchen Satelliten aufspüren und vervielfältigen.

Nun gilt Satelliten-DNA normalerweise als Sammlung sich ständig wiederholender Sequenzen ohne offensichtlichen Nutzen – was also bringt der zusätzliche Ring dem Erreger? Braucht er ihn überhaupt?

Die Antwort lautet: ja. Denn als die Wissenschaftler gesunde Pflanzen mit den beiden Komponenten infizierten, zeigte sich drei bis vier Wochen später das bekannte Farbenspiel. Die nicht nur Gärtnern wohlbekannte Weiße Fliege (Bemisia tabaci) übertrug die Erreger erfolgreich auf andere Pflanzen, und da auch in den angesteckten Nachbarn beide Genombestandteile aufzuspüren waren, leistet offenbar auch der Ring seinen Beitrag zur Krankheit.

Ob, und wenn ja, wie Kaiserin Koken diese harten Fakten nun in poetische Worte gefasst hätte, werden wir leider nie erfahren. Aber ihr gebührt wohl auf jeden Fall der Ruhm, die früheste Beschreibung einer viralen Pflanzenkrankheit verfasst zu haben. Und ihr kurzes Gedicht zeigt, dass Geminiviren schon damals eine ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft darstellen konnten – lange vor der Einführung moderner Methoden, die heute häufig für die weltweite und rasche Verbreitung dieser Gruppe verantwortlich gemacht werden.

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