News: Kein Blick fürs Ganze
Etwa 100 Millionen Wörter hat ein durchschnittlich belesener Mensch im Alter von 25 Jahren bereits aufgenommen und identifiziert. Trotz dieses beachtlichen Trainings verläuft die Worterkennung im Gehirn äußerst ineffizient. Wie zu Beginn der Grundschule kommt es noch immer darauf an, dass jeder einzelne Buchstabe zu erkennen ist.
Wörter sind mehr als die Summe ihrer Buchstaben. Vor allem sind sie komplizierter – zumindest für die Mechanismen zur Mustererkennung im menschlichen Gehirn. Und obwohl uns tagtäglich geschriebene Wörter begegnen und wir die häufigeren von ihnen schon mehrere hunderttausend Male gelesen haben, war bis jetzt noch nicht klar, wie wir Wörter eigentlich entschlüsseln – als größere Einheiten oder auf Grundlage ihrer Einzelteile.
Mit einem relativ einfachen Experiment haben Denis Pelli von der New York University und Deborah Moore von der Syracuse University zwischen den beiden Extremen unterschieden. Aus einem Reservoir von Wörtern trafen sie eine zufällige Auswahl, versahen sie mit unterschiedlichen Kontrastwerten und mischten sie am Bildschirm mit einem Rauschen. Heraus kamen Testwörter, die etwa so aussahen, als hätte jemand mit einem verblichenen Farbband auf schlechtem Recyclingpapier gedruckt. Aufgabe der Versuchspersonen war es, die verrauschten Wörter zu identifizieren.
Den Erfolg verglichen Pelli und Moore mit den Resultaten eines "idealen Beobachters". Dieser kann beispielsweise so vorgehen, dass er die genauen Muster aller Wörter im Reservoir gespeichert hat und diese Bildpunkt für Bildpunkt mit dem Testwort vergleicht. Das Wort mit der größten Übereinstimmung gibt er als Ergebnis aus. Da mit dieser Methode das Wort als Ganzes geprüft wird, genügt bei langen Begriffen ein geringerer Kontrast zur Identifikation, als für kurze Wörter oder gar einzelne Buchstaben benötigt wird.
Bei den menschlichen Probanden fanden die Forscher jedoch genau das Gegenteil: Während Buchstaben noch relativ sicher erkannt wurden, schlugen sich die Teilnehmer umso schlechter, je länger das Wort war. Bei zwei Buchstaben sank die Effizienz der Erkennung auf die Hälfte, bei drei Buchstaben auf ein Drittel und so fort. Offensichtlich hat das Gehirn keine Vorstellung vom Wort als größerer Einheit, sondern nur für dessen Teile, wie beispielsweise Buchstaben oder Eigenschaften von diesen. "Solange die Komponenten [des Wortes] nicht zu erkennen sind, ist gar nichts zu sehen", schreiben Pelli und Moore.
Ihre Erkenntnis geht über die bloße Frage, wie wir lesen, hinaus und weist auf eine allgemein gültige obere Begrenzung bei der Mustererkennung hin. Denn eigentlich ist das menschliche Gehirn sehr gut darin, bekannte Strukturen zu identifizieren. Eine typische Nervenzelle kann die Signale von über 10 000 Eingängen auswerten und so feststellen, ob das gesehene Bild ihrem speziellen Muster entspricht. Das funktioniert mit Strichen, Ecken und Punkten und hätte im Prinzip auch für größere Strukturen, wie eben Wörter, gelten können. Aber trotz ständigen Lesetrainings entwickeln sich keine entsprechenden Vorlagen für komplexere Muster. "Es sieht so aus, als hätten Pelli und Moore [...] eine grundlegende Grenze der neuralen Mechanismen des Lernens [...] entdeckt", bewerten die Sinnesforscher Wilson Geisler und Richard Murray die Forschungsergebnisse.
Mit einem relativ einfachen Experiment haben Denis Pelli von der New York University und Deborah Moore von der Syracuse University zwischen den beiden Extremen unterschieden. Aus einem Reservoir von Wörtern trafen sie eine zufällige Auswahl, versahen sie mit unterschiedlichen Kontrastwerten und mischten sie am Bildschirm mit einem Rauschen. Heraus kamen Testwörter, die etwa so aussahen, als hätte jemand mit einem verblichenen Farbband auf schlechtem Recyclingpapier gedruckt. Aufgabe der Versuchspersonen war es, die verrauschten Wörter zu identifizieren.
Den Erfolg verglichen Pelli und Moore mit den Resultaten eines "idealen Beobachters". Dieser kann beispielsweise so vorgehen, dass er die genauen Muster aller Wörter im Reservoir gespeichert hat und diese Bildpunkt für Bildpunkt mit dem Testwort vergleicht. Das Wort mit der größten Übereinstimmung gibt er als Ergebnis aus. Da mit dieser Methode das Wort als Ganzes geprüft wird, genügt bei langen Begriffen ein geringerer Kontrast zur Identifikation, als für kurze Wörter oder gar einzelne Buchstaben benötigt wird.
Bei den menschlichen Probanden fanden die Forscher jedoch genau das Gegenteil: Während Buchstaben noch relativ sicher erkannt wurden, schlugen sich die Teilnehmer umso schlechter, je länger das Wort war. Bei zwei Buchstaben sank die Effizienz der Erkennung auf die Hälfte, bei drei Buchstaben auf ein Drittel und so fort. Offensichtlich hat das Gehirn keine Vorstellung vom Wort als größerer Einheit, sondern nur für dessen Teile, wie beispielsweise Buchstaben oder Eigenschaften von diesen. "Solange die Komponenten [des Wortes] nicht zu erkennen sind, ist gar nichts zu sehen", schreiben Pelli und Moore.
Ihre Erkenntnis geht über die bloße Frage, wie wir lesen, hinaus und weist auf eine allgemein gültige obere Begrenzung bei der Mustererkennung hin. Denn eigentlich ist das menschliche Gehirn sehr gut darin, bekannte Strukturen zu identifizieren. Eine typische Nervenzelle kann die Signale von über 10 000 Eingängen auswerten und so feststellen, ob das gesehene Bild ihrem speziellen Muster entspricht. Das funktioniert mit Strichen, Ecken und Punkten und hätte im Prinzip auch für größere Strukturen, wie eben Wörter, gelten können. Aber trotz ständigen Lesetrainings entwickeln sich keine entsprechenden Vorlagen für komplexere Muster. "Es sieht so aus, als hätten Pelli und Moore [...] eine grundlegende Grenze der neuralen Mechanismen des Lernens [...] entdeckt", bewerten die Sinnesforscher Wilson Geisler und Richard Murray die Forschungsergebnisse.
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