Hirnforschung: Klar Schiff im Kopf
Anders als andere Organe ist das Gehirn nicht an ein Lymphsystem zur Beseitigung von Abfallstoffen angeschlossen. Wie Forscher nun entdeckten, übernimmt offenbar ein eigenes Kanalsystem diese Aufgabe: Es transportiert Flüssigkeit entlang der Blutgefäße in das Gehirn hinein und wieder hinaus. Dabei werden unter anderem Stoffwechselendprodukte ausgeschwemmt.
Das Team um Maiken Nedergaard von der University of Rochester beobachtete dazu bei betäubten Mäusen mit Hilfe von Zwei-Photonen-Mikroskopie, wie sich leuchtende Markierungssubstanzen im Hirn verteilen. Zu Beginn des Versuchs injizierten die Forscher diese Marker den Mäusen in die Zerebrospinalflüssigkeit (ZSF) – eine Flüssigkeit, die vorrangig im Rückenmark auftritt sowie in Ventrikeln genannten Hirnkammern und an der Hirnaußenseite.
Unter dem Mikroskop zeigte sich nun, dass die Marker entlang der Arterien in den Raum zwischen den Hirnzellen vordrangen. Wie es scheint, werden sie später von Kanälen entlang der Venen wieder aufgenommen. Der Transport wird durch Hilfszellen, so genannte Astrozyten, unterstützt: Sie verbinden Zu- und Ableitung und verfügen vor allem an den Kontaktpunkten mit den Blutgefäßen über Wasserkanäle (Aquaporine), die Wasser in den interzellulären Raum gelangen lassen. Hemmten die Forscher diese Aquaporine, ließ die Leistung des Abtransports erheblich nach.
Zuvor hatte man vermutet, dass die Zerebrospinalflüssigkeit ausschließlich von den Ventrikeln aus in das Hirngewebe vordringt. Dieses Transportsystem ist jedoch vor allem auf Grund der großen Distanzen zwischen Ventrikeln und der Hirnaußenseite nur sehr ineffizient.
Die Entdeckung eines zweiten, offenbar viel gründlicheren Systems für den Abfalltransport, eröffnet Perspektiven für die medizinische Forschung: Möglicherweise ist es bei neurodegenerativen Erkrankungen gestört oder ließe sich zu Therapiezwecken ankurbeln, mutmaßen die Forscher um Nedergaard. Beispielsweise sammeln sich bei der Alzheimerkrankheit große Mengen des Moleküls Beta-Amyloid in den Zellzwischenräumen an, was als mögliche Ursache des kognitiven Verfalls gilt. Erste Tests der Forscher mit markierten Beta-Amyloid-Molekülen zeigten, dass diese tatsächlich über das neu entdeckte Kanalsystem fortgespült werden. Es sei daher viel versprechend, so die Forscher, nach Leitungsstörungen im Zusammenhang mit Alzheimererkrankungen zu fahnden.
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