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News: Kristallklarer Blick

Er besitzt keine Augen, dennoch vermag der Schlangenstern Ophiocoma wendtii Schatten wahrzunehmen und flieht vor herannahenden Räubern. Sein Sehvermögen verdankt er winzigen, noppenartig angeordneten Kristalllinsen, die nahezu seine gesamte Körperoberfläche bedecken und das einfallende Licht auf darunterliegende Nervenzellen projizieren. Damit hat der Schlangenstern sich selbst in ein riesiges Komplexauge verwandelt - ein einzigartiges visuelles System, das im Tierreich seinesgleichen sucht.
Die mit Seeigeln, Seesternen und Seegurken verwandten Schlangensterne besiedeln die Weltmeere von der Gezeitenzone bis hinab in 7000 Meter Tiefe. Charakteristisch für die wirbellosen Tiere sind ihre fünf äußerst beweglichen, dünnen Arme, die von einer zentralen Scheibe ausstrahlen. Bei Störungen werfen die berührungsempfindlichen Meeresbewohner ihre Körperfortsätze einfach ab und bilden sie anschließend neu.

Doch wie gelingt es den Schlangensternen, Gefahrensituationen zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren, wo sie doch keine Augen besitzen? Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, wählten Joanna Aizenberg von den Bell Laboratories sowie ihre Kollegen den Schlangenstern Ophiocoma wendtii als Forschungsobjekt aus. Die Angehörigen dieser Art sind besonders lichtempfindlich und können sogar schlagartig ihre Farbe verändern: Während sie tagsüber gleichmäßig dunkelbraun erscheinen, weisen sie nachts ein hellgrau-schwarzes Streifenmuster auf. Auch vermögen sie Schatten wahrzunehmen und sich schnell vor ihren Feinden in dunkle Felsspalten zu verkriechen, die sie bereits aus einigen Zentimetern Entfernung identifizieren können.

Letzteres unerwartetes Verhalten setzt das Vorhandensein von Lichtsensoren voraus, doch bislang waren keine spezialisierten Augen bei dieser Tierart bekannt. Auf der Suche nach lichteinfangenden Organen wurden die Forscher um Aizenberg nun in den Skelettplatten fündig, welche die Oberseite der Schlangenstern-Arme schützen. Dort entdeckten sie ein charakteristisches noppenübersätes Geflecht aus Kalkspat-Kristallen: Kugelförmige Vorwölbungen mit einem Durchmesser von etwa zehn Mikrometer reihten sich zu einem dreidimensionalen Netzwerk aneinander, wobei jede Erhebung ihrerseits von jeweils sechs weiteren winzigen Hügeln umgeben war. Der Querschnitt durch eine Noppe enthüllte eine trichterförmige Doppellinsengestalt.

In einem Versuch wiesen die Forscher nach, dass diese Berg-und-Tal-artigen Kristallstrukturen tatsächlich als Mikrolinsen fungieren: Sie platzierten die Kalkspat-Kristalle des Meerestieres auf einem lichtempfindlichen Material und setzten dieses System anschließend einer Lichtquelle aus. Die Kristalle bündelten das Licht und warfen es unmittelbar unter ihnen auf den Untergrund. Die gemessenen Brennweiten jeder dieser Linsen entsprachen genau der Tiefe, in der sich im Körper des Schlangensterns Nervenbündel als vermutliche Photorezeptoren befinden.

Demnach sind die fünfarmigen Meeresbewohner wohl tatsächlich in der Lage, mithilfe der noppenartig angeordneten Mikrolinsen ihres Kalkskelettes Licht einzufangen und auf die darunterliegenden Nervenzellen zu übertragen. Damit haben sie ihren ganzen Körper in ein einziges, riesiges Komplexauge verwandelt – ein einzigartiges visuelles System, das bislang bei keinem heute lebenden Organismus nachgewiesen werden konnte, wie Mitautor Steve Weiner vom Weizmann Institute betont. Vielleicht, so spekulieren die Forscher, könnte das Schlangenstern-"Auge" einst auch als Vorbild für die Entwicklung optischer Schaltkreise dienen.

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