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Optik: Kühlende Erleuchtung

Für gewöhnlich steigen die Temperaturen im Scheinwerferlicht. Nicht so, wenn Laserlicht auf Materialien mit Erbium-Atomen fällt. Das Element bedient sich dann bei der Wärme des Körpers, um die eingefangene Energie plus ein bisschen mehr als Fluoreszenz abzustrahlen - und schon wird es kühler.
Scheinwerfer
Licht macht warm – so viel weiß die Eidechse auf der hellen Mauer, das Schaf im Schatten und (zumindest kurzfristig) die Motte an der Glübirne. Es ist dem Plantschbecken im Garten ebenso bekannt wie dem Autolenkrad auf dem ungünstigen Freiland-Parkplatz und dem teuren Edelstahlgeländer auf dem Balkon. Vom Inuit-Knaben über den New Yorker Broker bis hin zum Zulu-Stammesältesten kann es jeder bestätigen. Nur eine Gruppe unter dem Firmament scheint von dieser Binsenweisheit nichts zu wissen: die chemischen Elemente aus der Familie der Seltenerdmetalle. Denn strahlt man wärmendes Infrarotlicht auf Materialien mit solchen Beimischungen – fällt das Thermometer!

Die Geschichte scheint unglaublich, weil sie unserer Alltagserfahrung so krass zuwiderläuft. Noch unglaublicher ist jedoch, dass die Wissenschaft bereits seit dem Jahr 1950 von diesem Phänomen weiß. Damals theoretisierte Alfred Kastler von der Pariser École Normale Superieure, dass unter bestimmten Umständen Stoffe mit geringen Anteilen an Seltenerdmetallen dieses kontraintuitive Verhalten an den Tag legen sollten. Und tatsächlich konnten Forscher den überraschenden Effekt inzwischen an Materialien mit Ytterbium und Thulium experimentell nachweisen. In einem Fall gelang es ihnen sogar, die Temperatur um 85 Grad Celsius abzusenken.

Der Trick des hellen Kühlens liegt darin, mehr auszugeben als reinkommt. Was bei der Haushaltskasse ganz einfach ist, fällt auf Ebene der Atome deutlich schwerer. Für gewöhnlich schlucken diese Licht, indem ein Elektron die Energie eines Photons aufnimmt und sich auf ein energetisch höheres Niveau begibt, das meistens etwas weiter weg vom Atomkern liegt. In diesem Vorort kann es sich selten lange halten.

Sein Wiederabstieg beginnt zunächst in kleinen Schritten, wenn es die Unterniveaus hinabrutscht und dabei Wärmestrahlung abgibt. Ist der Rand des Vororts erreicht, folgt ein tiefer Fall zurück in den zentraleren Bereich, aus dem das Elektron stammt. Was noch an Energie übrig war, verlässt das Atom als Fluoreszenzlicht. Dies ist ein bisschen roter, also energieärmer, denn mit einem Teil der ursprünglichen Lichtenergie wurde ja das Material geheizt.

Dieses Wechselspiel vom energetischen Aufstieg und Fall würden die Seltenerdmetalle in bestimmten Substanzen zu gerne mitspielen – nur leider reicht die einfallende Lichtenergie nicht aus, um sie anzuregen. Damit das Elektron es aber dennoch in den Vorort schafft, schnorrt sein Atom die fehlende Energie aus der Nachbarschaft. Es bedient sich bei der Vibrationsenergie des Materials oder weniger physikalisch ausgedrückt: bei der Wärmeenergie. Denn Wärme ist auf atomarer Ebene nichts anderes als Schwingungen. Und so bekommt das Elektron die Energie eines Photons aus dem Licht und zusätzlich ein wenig Wärme aus dem Körper. Unter dem Strich genug, um kurz auf ein höheres Niveau zu gelangen und anschließend sofort alles als Fluoreszenzlicht abzustrahlen. In Photonen, die diesmal dank geklauter Wärmeenergie etwas blauer und damit energiereicher sind. Anti-Stokes-Emission nennen Wissenschaftler diese Umkehr des herkömmlichen Energiehandels.

Nur allzu gerne würden Wissenschaftler auch das Element Erbium in die heiße Schlacht um lichtene Kühlung schicken. Erbium müsste auf Grund seiner Energiestruktur mit Infrarotlicht um 1500 Nanometer Wellenlänge angeregt werden – ein Bereich, der in der modernen Glasfaseroptik bestens bekannt ist. Dummerweise ist die Lager der Energieniveaus bei Erbium jedoch so kompliziert, dass manche Forscher bezweifelt haben, dass mit diesem Element überhaupt ein Anti-Stokes-Effekt zu erzielen sei.

Diese Zweifler haben nun Angel Garcia-Adeva, Rolindes Balda und Joaquin Fernandez von der Universität des Baskenlandes in San Sebastian mit neuen Versuchen von den Qualitäten des Erbiums als Kühlmittel überzeugt. Mit Laserlicht senkten sie die Temperatur von Kaliumbleichlorid-Kristallen und einem Schwermetallchloridfluorid-Glas, die jeweils Erbium-Ionen enthielten. Zwar war der Effekt, den die Forscher mit einer Infrarotkamera aufzeichneten, gering – er betrug lediglich 0,7 Grad Celsius für den Kristall und 0,5 Grad für das Glas –, doch für einen prinzipiellen Nachweis reicht das allemal aus.

Um irgendwann den Weg in unseren überhitzten Alltag zu finden, müssten Erbium-Kühler noch ordentlich verbessert werden, und selbst dann werden sie uns kaum als Kühlschränke für Softdrinks begegnen. Aber in elektronischen Schaltkreisen könnten sie eines Tages wirklich gezielt überschüssige Wärme abführen und so beispielsweise Detektoren oder Computer-Chips kühlen. Denn warm werden die Dinge von selbst...

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