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News: Laue Polarnacht

Heute scheint klar: Die Bäume der hohen Breiten verlieren im Winter ihre Blätter, weil es kalt und trocken wird. Doch ursprünglich, so nehmen viele Forscher an, warfen Bäume ihre Blätter ab, um während der einst warmen und feuchten Polarnächte möglichst wenig Kohlenstoff zu verlieren. Doch die Zweifel mehren sich.
Laue Polarnacht
Der Botanikerstreit hatte seinen Anfang im Jahr 1912, als eine Rettungsmannschaft in der Antarktis die Leichen des englischen Polarforschers Robert Falcon Scott (1868-1912) und seiner Kameraden barg. Auf ihren Schlitten fand sich auch eine Ladung versteinerter Pflanzen, und es war klar, dass es in der Antarktis einst viel wärmer und feuchter war. Ausgedehnte Wälder hatten den heute so lebensfeindlichen Kontinent bedeckt - obschon die Antarktis auch vor 250 Millionen Jahren, am Ende des Perm, so nahe am Südpol lag, dass es in weiten Teilen des Kontinents während der langen Winter niemals hell wurde.

Und so gingen insbesondere amerikanische Forscher bald davon aus, dass die Bäume der hohen nördlichen und südlichen Breiten ursprünglich eben deshalb - und nicht etwa wegen Kälte oder Trockenheit - im Winter ihre Blätter abwarfen. Denn Bäume nehmen im bei der Atmung nicht nur Kohlendioxid auf und setzen dafür Sauerstoff frei, sie produzieren auch Kohlendioxid - insbesondere wenn es dunkel und warm ist. Gegenüber den immergrünen Bäumen hätten die Bäume in der einst warmen Antarktis also den Vorteil gehabt, in der dunklen Jahreszeit weniger Kohlenstoff über ihre Blätter zu verlieren.

Doch was so einsichtig scheint, ist nach Ansicht britischer Forscher schlichtweg falsch. Dana Royer und seine Kollegen von der University of Sheffield hatten "lebende Fossilien" - Bäume, die es beinahe unverändert schon seit der Trias gibt - in Klimakammern eben den feuchtwarmen Bedingungen ausgesetzt, wie sie einst auch in der Antarktis herrschten. Und dabei zeigte sich, dass die immergrünen Bäume während der vollkommenen, sechswöchigen Dunkelheit viel weniger Kohlenstoff verloren als diejenigen, welche ihre Blätter abwarfen - und damit eben auch einen Teil ihres Kohlenstoffvorrats.

Die Forscher haben ihre Ergebnisse zudem mithilfe von Computermodellen auf verschiedene Regionen der Erde übertragen und dabei auch unterschiedliche Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre simuliert. Aber es blieb dabei: Die Blätter abwerfenden Bäume verloren während der warmen "Polarwinter" 50 bis 100 Prozent mehr Kohlenstoff als die immergrüne Verwandtschaft.

Der Leiter der Studie, Royers Kollege David Beerling von der University of Sheffield, hält die amerikanische Sicht der Dinge somit für nicht mehr haltbar. Das Abwerfen der Blätter sei nicht während der langen und warmen Polarnächte vor zig Millionen Jahren entstanden, sondern wäre wohl doch die Folge von winterlicher Kälte und Trockenheit.

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