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News: Lebendige Fabriken

Die Kunststoffindustrie ist ständig auf der Suche nach umweltfreundlicheren Herstellungsverfahren für Polymere. Ein ganz gewöhnliches Darmbakterium, versorgt mit fremdem Erbgut, könnte neue Wege eröffnen.
Bakterien stellen unzählige Stoffwechselverbindungen her und sind – ausgestattet mit Genen anderer Organismen und entsprechendem Futter – auch durchaus bereit, zusätzlich noch neue Wege zu gehen. Diese Vielfalt und Anpassungsfähigkeit macht die Einzeller zu viel versprechenden Kandidaten für winzige Fabriken, in denen Substanzen ganz nach Wunsch der Forschung produziert werden.

Neben der Medizin und der Lebensmittelindustrie greifen auch Kunststoffhersteller gern auf Bakterien zurück. Schließlich gilt es, nicht nur angesichts der zunehmend knapper werdenden Erdölressourcen, umweltfreundlichere Produktionsverfahren für Polymere zu finden. Tina Lütke-Eversloh von der Universität Münster und ihre Kollegen haben nun das Darmbakterium Escherichia coli dazu gebracht, Esterverbindungen zu produzieren, deren Kette aus lauter identischen Bausteinen besteht und in deren Polymer-"Rückgrat" ein Schwefelatom sitzt.

Solche biologisch entstandenen Polythioester spürten die Forscher erstmals in dem Bakterium Ralstonia eutropha auf, das als Bioproduzent von Polymeren schon lange bekannt ist. Allerdings störten andere Stoffwechselprodukte dabei, die Substanzen in möglichst reiner Form zu gewinnen und ihre Eigenschaften zu untersuchen. Also schleusten sie in Escherichia coli, bei denen Polythioester nicht zu den natürlichen Stoffwechselprodukten gehören, ein ringförmiges Chromosom – ein Plasmid – ein, das die Bauanleitungen für die beteiligten Enzyme trug. Mit diesen fremden Helfern ausgestattet, konnten die Darmbakterien nun ihre Produktpalette entsprechend erweitern.

Zunächst versorgten die Forscher ihre Bakterienkulturen mit Glucose und Ammoniumchlorid, um sie ordentlich anwachsen zu lassen. Dann jedoch erweiterten sie den Speiseplan um Mercaptoalkansäuren, also Verbindungen mit einer Schwefelwasserstoff-Gruppe. Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich daraufhin winzige, wasserabweisende Kügelchen im Zellinnern, die zwischen 0,03 und 0,1 Mikrometer Durchmeser erreichten und bis zu 30 Prozent des Trockengewichtes der Zelle ausmachten: die gewünschten Polythioester.

Im Vergleich zu strukturell verwandten Polymeren, bei denen anstelle des Schwefels ein Sauerstoffatom sitzt, offenbarten die Polythioester eine niedrigere kristalline Ordnung. Vielleicht, so vermuten die Wissenschaftler, hemmt das Schwefelatom in der Kette die Kristallisation, da seine Elektronegativität im Vergleich zu Sauerstoff deutlich geringer ist und sich daher weniger stabilisierende Dipolwechselwirkungen ausbilden.

Gleichzeitig erwies sich einer der neuen Vertreter – Polymercaptopropionat – als ausgesprochen hitzebeständig: Erst bei 170 Grad Celsius begann die Substanz zu schmelzen, während ihr analoger Verwandter mit Sauerstoffatom bereits bei 121 Grad Celsius weich wird. Außerdem zeigte sie nach Erhitzen und Abkühlen die typischen Merkmale eines Thermoplasten, eines Kunststoffes also, der durch Hitze verformbar ist.

Sollte sich Escherichia coli auch im großen Maßstab als Polythioesterproduzent bewähren, hätten Chemiker damit endlich eine elegante Methode, diese interessanten Polymere herzustellen. Schließlich ist der Bedarf an neuen Materialien, gerade im medizinischen Bereich, sehr groß, und die Polythioester wären für den Einsatz in diesen Gebieten durchaus geeignet.

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