News: Leguane lieben Kinderspiele
Fragen über Fragen. Die Antwort, die Kelly R. Zamudio und Barry Sinervo von der Cornell University darauf geben, klingt dagegen sehr einfach: Jede Strategie ist einer der anderen überlegen, und so haben alle eine vernünftige Chance, sich am Ende erfolgreich durchzusetzen. Zumindest bei den Seitenfleckenleguanen (Uta stansburiana), die auf den steilen Felsklippen der Küste Kaliforniens leben (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 5. Dezember 2000, Volltext).
Die Wissenschaftler vergleichen die verschiedenen Taktiken mit dem Kinderspiel "Stein", "Schere", "Papier": Die Schere schneidet Papier, aber der Stein macht sie stumpf. Dafür kann ihn das Papier einwickeln. Jedes Symbol siegt also über ein anderes, während es dem dritten unterliegt. So läuft das auch bei den Leguanen.
Denn pünktlich zur Paarungszeit scheint sich deren Verhalten genau an die genannten Spielregeln zu halten. Der Kehlfleck der Männchen ist ein verlässliches Anzeichen für die übernommene Rolle: Orange demonstriert ein großes Territorium mit zahlreichen Weibchen, die Männchen sind hart wie Stein. Blau hingegen steht für den treusorgenden Partner auf kleinem Gelände, der sich intensiv um seine Angebetete kümmert und sie vor Anmache von anderer Seite bewahrt. Und gelb – kaum zu unterscheiden von den Weibchen – zeigt den landlosen Herumstreuner an, der schwach wie Papier doch die überlegenen Konkurrenten einwickelt.
Aber welche Fortpflanzungsstrategie ist nun auf lange Sicht die erfolgreichste? Keine, brachten 400 Vaterschaftstests mittels DNA-Analyse an den Tag. In einem Jahr hatten alle drei Typen in etwa gleich viele Nachkommen. Die orange gefärbten Männchen konnten sich erwartungsgemäß über den zahlreichsten Nachwuchs freuen. Doch da sie sehr mit der Verteidigung ihres großen Besitztums beschäftigt waren, gelang es offenbar auch den schwächeren gelbkehligen Konkurrenten, einige der Haremsdamen zu begatten.
Die Fürsorge der blau gefärbten Männchen zahlte sich ebenfalls aus. Sie zeugten zwar weniger, aber ausreichend viele Nachkommen, um ihren Anteil in der Lebensgemeinschaft zu erhalten. Auch waren sie meist der einzige Vater aller Eier ihrer Angebeteten. Und doch waren auch sie vor fremden Eindringlingen nicht gefeit. Immer wieder gerieten die anders gefärbten Artgenossen dazwischen und verführten die fremde Gattin zu einem Abenteuer mit Folgen.
Die revierlosen Leguane schließlich kamen auch auf ihre Kosten. Ihr gelber Kehlfleck schützte sie vor Angriffen ihrer männlichen Artgenossen, die sie kaum als Konkurrenten erkannten. So sorgten sie in allen Territorien, jedoch vor allem bei den aggressiven, orange gefärbten Patriarchen, für einige Kuckuckseier im Nest.
Viele Leguanmännchen wurden gar erst Vater nach ihrem Tod. Die Weibchen können das Sperma mehrere Monate aufbewahren, und so wurden allein in der dritten Runde etwa 32 Prozent der Eier mit dem Samen verstorbener Partner befruchtet. Hier kamen dann vor allem die gelben Typen zum Zuge.
Und so leben alle drei Farbvarianten erfolgreich nebeneinander im selben Gebiet. Von Fischen oder Vögeln sind ähnliche Systeme bekannt, für Säugetiere jedoch ist so etwas eher ungewöhnlich. Und wie ist das mit uns? "Nun, ich kann verstehen, dass manche Frauen denken, sie sind in bestimmten Lebensabschnitten orange-, blau- oder gelbkehligen Männern begegnet", schmunzelt Zamudio. "Aber wir möchten keinen Zusammenhang zwischen den Strategien der Reptilien und dem menschlichen Verhalten behaupten."
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