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News: Leichte Kost

Der einzige Lebensinhalt von Insektenlarven besteht im Wachsen und Fressen, doch mitunter stellen die bevorzugten Blätter keineswegs eine Delikatesse dar. Oftmals enthalten sie schwer verdauliche oder gar giftige Substanzen, die den Raupen zu schaffen machen. Tabakpflanzen wissen sich mit hohen Dosen des Nervengiftes Nikotin gegen unliebsame Gäste zu wehren - allerdings nicht immer erfolgreich: So durchkreuzen die Larven des Maiskolbenbohrers die Verteidigungsstrategie ihres Nahrungslieferanten, indem sie gehaltvollen Speichel absondern.
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Nicht nur Bakterien, Viren und Pilze setzen Pflanzen zuweilen arg zu, sondern auch Insektenlarven, die ihre Zeit größtenteils mit dem Fressen von Blättern verbringen. Um von den Raupen nicht vollständig zerlöchert zu werden, haben die gepeinigten Wirte im Laufe der Evolution Gegenmaßnahmen ersonnen, mit deren Hilfe sie sich zur Wehr setzen: Nicht selten verfügen die Pflanzen über ein chemisches Schutzschild – so auch die Tabakpflanze (Nicotiana tabacum). Gewöhnlich sind ihre Blätter angereichert mit dem Nervengift Nikotin und anderen verdauungshemmenden Substanzen, welche die Schädlinge von allzu üppigen Mahlzeiten abhalten sollen.

Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Larven selbst jene pflanzliche Abwehrstrategie auslösen, indem sie über ihre Spinndrüsen Speichel mit bestimmten Inhaltsstoffen absondern. Doch offenbar untergraben sie mit ihrem Sekret vielmehr aktiv die Verteidigung ihres Wirtes, wie nun Richard Musser von der University of Arkansas und Gary Felton von der Pennsylvania State University zusammen mit ihren Kollegen beim Maiskolbenbohrer (Helicoverpa zea) enthüllten. Als aktiven Bestandteil des Raupenspeichels identifizierten sie die Verbindung Glucose-Oxidase – ein Enzym, welches den Zucker Glucose in Gluconsäure und Wasserstoffperoxid umwandelt.

Um der Wirkung jener Substanz in Pflanzenblättern auf die Spur zu kommen, verätzten die Forscher die Spinndrüsen einiger Larven und setzten die Tiere anschließend zusammen mit unbehandelten Artgenossen auf die Tabakpflanzen. Nachdem sich die Larven 24 Stunden satt fressen konnten, vergingen weitere drei Tage, bis die Forscher die Blätter ernteten und deren chemische Inhaltsstoffe näher analysierten. Und die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Die Blätter, die den unbehandelten Larven als Nahrung gedient hatten, wiesen 26 Prozent weniger Nikotin auf als jene, von denen die "speichellosen" Raupen gezehrt hatten.

In einem weiteren Experiment konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich ein hoher Nikotingehalt tatsächlich schädlich auf die Gesundheit und das Wachstum gerade geschlüpfter Raupen auswirkt: Diese fütterten sie mit Stücken jener Tabakpflanzenblätter, von denen sich zuvor die "intakten" und manipulierten Larven ernährt hatten. Wie sich zeigte, erging es den Raupen bei diesen Kostproben wesentlich besser, wenn ihre unbehandelten Artgenossen sie vorher bearbeitet hatten und die Blätter somit weniger Nikotin enthielten.

Doch wie vermögen die Raupen den Nikotingehalt der Blätter erfolgreich zu drosseln? Da die Forscher den Speichel-Inhaltsstoff Glucose-Oxidase im Verdacht hatten, entwarfen sie folgenden Versuch: In die Blätter von Tabakpflanzen schnitten sie Löcher, um das Fressverhalten der Larven nachzuahmen. Anschließend brachten sie an verschiedenen Stellen jenes Enzym in inaktiver und gereinigter aktiver Form auf, des Weiteren ungereinigtes Speicheldrüsenextrakt sowie Wasser.

Und die Vermutung der Wissenschaftler bestätigte sich: Sowohl die gereinigte Glucose-Oxidase als auch der Speichelextrakt unterdrückten die Nikotinherstellung im Vergleich zu unbehandelten Blättern. Dabei erwiesen sich die beiden durch das Enzym freigesetzten Reaktionsprodukte als unterschiedlich wirkungsvoll: Gluconsäure drosselte die Nikotinproduktion um 29 Prozent, Wasserstoffperoxid sogar um 44 Prozent. "Möglicherweise haben wir ein neues Kennzeichen im Wettrüsten zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern entdeckt", spekulieren die Forscher.

In weiterführenden Versuchen klonten und sequenzierten die Wissenschaftler jenes Gen der Larven, welches die Bauanleitung für das Enzym Glucose-Oxidase in sich trägt. Eingefügt in das Erbgut von Pflanzen zeigte es eine weitere Wirkung: Die so behandelten Pflanzen erwiesen sich resistenter gegen Temperatur-Stress und Krankheitserreger. Gary Felton führt dies darauf zurück, dass "die Glucose-Oxidase gewöhnlich dazu dient, die Pflanze zu verwirren. Vielleicht bewegt das Enzym die Pflanze, verstärkt auf andere Stressfaktoren als das Fressverhalten der Insekten zu reagieren."

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