Optogenetik: Lichtschalter fürs Gehirn
Mit Lichtimpulsen haben Forscher bei Fliegen falsche Erinnerungen erzeugt, was zeigt: Die Methoden der so genannten Optogenetik werden immer ausgefeilter.
Vom griechischen Wort für "Filz" leitet sich die Bezeichnung "Neuropil" für Nervenverbindungen in der Großhirnrinde ab – und zwar mit Recht: Die Schaltkreise im Hirn, zu denen es gehört, sind unentwirrbar miteinander verflochten und, was noch schlimmer ist, großflächig verteilt. Wie gelingt es nun, alle Neurone von Schaltkreis A zu manipulieren und dabei die von B unangetastet zu lassen? Elektroden, die im Hirngewebe platziert werden, bringen entweder zu viele oder zu wenige Zellen zum Feuern; Medikamente wirken oft noch undifferenzierter.
Seit rund fünf Jahren forschen Wissenschaftler unter der Bezeichnung "Optogenetik" an einem verblüffend einfachen Lösungsprinzip für das Lokalisierungsproblem: Will man eine Botschaft an ausgewählte Bewohner einer Stadt schicken, erklärt Gero Miesenböck von der University of Oxford, so sollte man diesen Personen ein Funkgerät geben und dann die Nachricht großflächig ausstrahlen.
Nun gibt es in der Natur keine Zellen mit Funkempfängern – wohl aber solche, die Zellvorgänge über Licht steuern. Einige einzellige Algen beispielsweise reagieren auf Lichteinfall mit einer Anpassung ihrer Geißelbewegungen, indem sie Ionen aus ihrem Innern heraus- oder in sich hineinpumpen. 2005 begannen Forscher damit, den genetischen Bauplan für eines dieser "Lichtradios", Channelrhodopsin-2 (ChR2), den Zellen zu entnehmen und in Hirnzellen ihrer Versuchstiere einzupflanzen.
Künstliche Schleusenwärter
Denn auch wenn eine Zelle feuern soll, spielen Ionenpumpen und -kanäle die Hauptrolle. Sie lassen beispielsweise positiv geladene Natriumionen einströmen und erzeugen dadurch eine elektrische Spannung. Künstlich eingebaute Schleusenwärter, wie das ChR2, übernehmen diesen Part – mit dem Unterschied, dass sie auf Licht reagieren statt auf Botenstoffe an den Synapsen. Weitere, teils speziellen Bedürfnissen angepasste Proteine erlauben es mittlerweile, auch die meisten anderen wichtigen Zellvorgänge anzusprechen, wie Ausschüttung von Signalmolekülen und Abbau der Erregung [1].
Bleibt noch die Frage, wie das Verteilen der Lichtempfänger organisiert wird. Da es sich hier eigentlich nur um die Baupläne der entsprechenden Proteine handelt, erfolgt auch die Adressierung der Empfängerzellen auf genetischem Weg. Forscher ketten dazu den DNA-Abschnitt an Gene, die ausschließlich in Zellen des gesuchten Neuronentypus abgelesen werden. Startet die Proteinproduktion am ursprünglichen Gen, wird das hinzugefügte Protein gleich mit hergestellt. So ist sichergestellt, dass immer nur Zellen eines einzelnen Typs auf die Lichtsignale reagieren.
Mit dieser Technik ist es nun einer Gruppe um Miesenböck gelungen, das Gedächtnis von Taufliegen der Gattung Drosophila zu manipulieren: Ein Laserstrahl brachte bestimmte Zellen zum Feuern und damit die Fliegen dazu, einen Geruch mit einer Gefahr zu verbinden, die sie nie erlebt hatten [2]. Damit konnten sie zeigen, dass eine bestimmte Gruppe von exakt zwölf Neuronen eine Schlüsselposition bei der Abspeicherung von Angsterinnerungen einnimmt.
Ihr Versuchsaufbau glich dem eines klassischen Konditionierungsexperiments. Man lässt die Insekten zwischen zwei Geruchsquellen wählen und versetzt ihnen einen leichten Stromstoß, sobald sie auf eine davon zufliegen. In der Folge vermeiden sie diesen Geruch. Miesenböck und Team ersetzten nun den Elektroschock durch den Laserstrahl und schlossen damit das Angsterinnerungssystem kurz. Anstatt dass eine Sinneswahrnehmung diese Vermittlerzellen reizte, übernahmen dies die Forscher selbst.
Eng umschriebener Kreis von Neuronen
Sie verwendeten dazu einen speziellen Ionenkanal, der in Anwesenheit eines bestimmten Signalstoffs die Zellen feuern lässt. Diese Substanz verpackten die Wissenschaftler in ein lichtempfindliches Paket und injizierten es den Tieren. Sobald die Zellen vom Laser getroffen wurden, gab die Verpackung ihren Inhalt frei.
Dass nur zwölf so genannte dopaminerge, also auf Dopamin reagierende Neurone in den beiden jeweils 2500 Nervenzellen umfassenden Pilzkörpern des Insektenhirns diese Rolle einnehmen und welche das sind, ist schon für sich genommen ein interessantes Ergebnis. Denn auch beim Menschen glaubt man, dass ähnliche Zellen einen vergleichbaren Zweck haben. Die eigentliche Leistung dieses Experiments aber liegt darin, die Methode der Lichtaktivierung auf einen derart eng umschriebenen Kreis einzuengen. In diesem Ausmaß ist das bislang nur in wenigen Fällen gelungen.
Denn die größte Stärke des Verfahrens – dass immer nur Neurone des gleichen Typs empfänglich werden –, ist gleichzeitig seine größte Schwäche. Wie macht man die genetischen Merkmale ausfindig, die darüber bestimmen, wer einen "Laserempfänger" enthalten soll? Durch welche Kombination von Merkmalen ist er gekennzeichnet, der Zelltyp, den man untersuchen möchte?
Merkmale gesucht
Das Gen TH, das für das Enzym Tyrosinhydroxilase kodiert, sei so ein Merkmal, erläutert Gero Miesenböck. Forscher haben herausgefunden, dass es nur in Hirnzellen abgelesen wird, die auch Dopamin produzieren. Hängt man an diesen DNA-Abschnitt also die Bauanleitung für den Lichtempfänger, bringt der Laser sämtliche dopaminergen Neurone zum Feuern. Leider sind das weit mehr als die zwölf gewünschten. In vielen Fällen seien deshalb noch deutlich genauere Unterteilungen notwendig, nur lassen diese sich bedauerlicherweise noch nicht in eine "genetische Sprache" übersetzen, so Miesenböck.
Seit rund fünf Jahren forschen Wissenschaftler unter der Bezeichnung "Optogenetik" an einem verblüffend einfachen Lösungsprinzip für das Lokalisierungsproblem: Will man eine Botschaft an ausgewählte Bewohner einer Stadt schicken, erklärt Gero Miesenböck von der University of Oxford, so sollte man diesen Personen ein Funkgerät geben und dann die Nachricht großflächig ausstrahlen.
Nun gibt es in der Natur keine Zellen mit Funkempfängern – wohl aber solche, die Zellvorgänge über Licht steuern. Einige einzellige Algen beispielsweise reagieren auf Lichteinfall mit einer Anpassung ihrer Geißelbewegungen, indem sie Ionen aus ihrem Innern heraus- oder in sich hineinpumpen. 2005 begannen Forscher damit, den genetischen Bauplan für eines dieser "Lichtradios", Channelrhodopsin-2 (ChR2), den Zellen zu entnehmen und in Hirnzellen ihrer Versuchstiere einzupflanzen.
Künstliche Schleusenwärter
Denn auch wenn eine Zelle feuern soll, spielen Ionenpumpen und -kanäle die Hauptrolle. Sie lassen beispielsweise positiv geladene Natriumionen einströmen und erzeugen dadurch eine elektrische Spannung. Künstlich eingebaute Schleusenwärter, wie das ChR2, übernehmen diesen Part – mit dem Unterschied, dass sie auf Licht reagieren statt auf Botenstoffe an den Synapsen. Weitere, teils speziellen Bedürfnissen angepasste Proteine erlauben es mittlerweile, auch die meisten anderen wichtigen Zellvorgänge anzusprechen, wie Ausschüttung von Signalmolekülen und Abbau der Erregung [1].
Bleibt noch die Frage, wie das Verteilen der Lichtempfänger organisiert wird. Da es sich hier eigentlich nur um die Baupläne der entsprechenden Proteine handelt, erfolgt auch die Adressierung der Empfängerzellen auf genetischem Weg. Forscher ketten dazu den DNA-Abschnitt an Gene, die ausschließlich in Zellen des gesuchten Neuronentypus abgelesen werden. Startet die Proteinproduktion am ursprünglichen Gen, wird das hinzugefügte Protein gleich mit hergestellt. So ist sichergestellt, dass immer nur Zellen eines einzelnen Typs auf die Lichtsignale reagieren.
Mit dieser Technik ist es nun einer Gruppe um Miesenböck gelungen, das Gedächtnis von Taufliegen der Gattung Drosophila zu manipulieren: Ein Laserstrahl brachte bestimmte Zellen zum Feuern und damit die Fliegen dazu, einen Geruch mit einer Gefahr zu verbinden, die sie nie erlebt hatten [2]. Damit konnten sie zeigen, dass eine bestimmte Gruppe von exakt zwölf Neuronen eine Schlüsselposition bei der Abspeicherung von Angsterinnerungen einnimmt.
Ihr Versuchsaufbau glich dem eines klassischen Konditionierungsexperiments. Man lässt die Insekten zwischen zwei Geruchsquellen wählen und versetzt ihnen einen leichten Stromstoß, sobald sie auf eine davon zufliegen. In der Folge vermeiden sie diesen Geruch. Miesenböck und Team ersetzten nun den Elektroschock durch den Laserstrahl und schlossen damit das Angsterinnerungssystem kurz. Anstatt dass eine Sinneswahrnehmung diese Vermittlerzellen reizte, übernahmen dies die Forscher selbst.
Eng umschriebener Kreis von Neuronen
Sie verwendeten dazu einen speziellen Ionenkanal, der in Anwesenheit eines bestimmten Signalstoffs die Zellen feuern lässt. Diese Substanz verpackten die Wissenschaftler in ein lichtempfindliches Paket und injizierten es den Tieren. Sobald die Zellen vom Laser getroffen wurden, gab die Verpackung ihren Inhalt frei.
Dass nur zwölf so genannte dopaminerge, also auf Dopamin reagierende Neurone in den beiden jeweils 2500 Nervenzellen umfassenden Pilzkörpern des Insektenhirns diese Rolle einnehmen und welche das sind, ist schon für sich genommen ein interessantes Ergebnis. Denn auch beim Menschen glaubt man, dass ähnliche Zellen einen vergleichbaren Zweck haben. Die eigentliche Leistung dieses Experiments aber liegt darin, die Methode der Lichtaktivierung auf einen derart eng umschriebenen Kreis einzuengen. In diesem Ausmaß ist das bislang nur in wenigen Fällen gelungen.
Denn die größte Stärke des Verfahrens – dass immer nur Neurone des gleichen Typs empfänglich werden –, ist gleichzeitig seine größte Schwäche. Wie macht man die genetischen Merkmale ausfindig, die darüber bestimmen, wer einen "Laserempfänger" enthalten soll? Durch welche Kombination von Merkmalen ist er gekennzeichnet, der Zelltyp, den man untersuchen möchte?
Merkmale gesucht
Das Gen TH, das für das Enzym Tyrosinhydroxilase kodiert, sei so ein Merkmal, erläutert Gero Miesenböck. Forscher haben herausgefunden, dass es nur in Hirnzellen abgelesen wird, die auch Dopamin produzieren. Hängt man an diesen DNA-Abschnitt also die Bauanleitung für den Lichtempfänger, bringt der Laser sämtliche dopaminergen Neurone zum Feuern. Leider sind das weit mehr als die zwölf gewünschten. In vielen Fällen seien deshalb noch deutlich genauere Unterteilungen notwendig, nur lassen diese sich bedauerlicherweise noch nicht in eine "genetische Sprache" übersetzen, so Miesenböck.
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spektrumdirekt.de/optogenetik
Bei ihrer aktuellen Untersuchung hatte das Team nur deshalb Erfolg, weil sich die zwölf Verantwortlichen vor allem durch anatomische Überlegungen ausfindig machen ließen. Damit das nicht so bleibt und die Optogenetik ihre Versprechen einhalten kann, braucht es also noch einiges an Forschungsarbeit – und zwar weniger im Bereich Opto- als vor allem in der -genetik.spektrumdirekt.de/optogenetik
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