News: Medizin-Nobelpreis: Aufforderung zum Tanz
Während die Mitose sich voller Aktivität zeigt, erscheint die Interphase dagegen eher eintönig. Zunächst gingen Biologen davon aus, dass hier nur während der so genannten S-Phase etwas interessantes passiert, nämlich die Verdopplung der Chromosomen. Davor und danach tut sich scheinbar nichts, weswegen die Forscher in ihrer Verlegenheit diese Phasen als G1- und G2-Phase bezeichnen – nach dem englischen gap für Lücke. Doch diese scheinbar langweiligen Phasen sind die eigentlich spannenden – denn hier entscheidet die Zelle über ihr weiteres Schicksal. Nach der G1-Phase kann sich, statt der S-Phase, eine G0-Phase anschließen. Diese Zellen verharren in ihrem Zustand und können sich fortan nicht mehr teilen.
Was geschieht nun in der G1-Phase? Licht in das Dunkel brachte in den siebziger Jahren Leland Hartwell vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle. Er entdeckte bei der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae mehr als einhundert Gene, welche die Zellteilung steuern und kontrollieren. Eines dieser CDC-Gene (cell division cycle) – von Hartwell zunächst CDC28, dann start genannt – initiiert bereits in der G1-Phase den ersten Schritt der Teilung.
Ein ähnliches Gen – diesmal mit dem Namen cdc2 – fand Paul Nurse vom Londoner Imperial Cancer Research Fund bei der Hefe Schizosaccharomyces pombe. Auch hier setzt es als start-Gen den Zellteilungszyklus in Gang. Nurse konnte nun das Genprodukt isolieren. Es handelt sich um eine so genannte Cyclin-abhängige Kinase, deren Aktivität über eine Phosphorylierung gesteuert wird.
Den noch fehlenden Schritt bei diesem Puzzle enthüllte Timothy Hunt, ebenfalls vom Imperial Cancer Research Fund, zu Beginn der achtziger Jahre. Er entdeckte bei dem Seeigel Arbacia eine Proteinfamilie, deren Konzentrationen sich in der Zelle zyklisch verändern. Diese daher Cycline genannten Proteine werden während des gesamten Zellzyklus synthetisiert. Übersteigt die Konzentration einen bestimmten Wert, dann verbindet sich ein Cyclin mit einer Cyclin-abhängigen Kinase und bildet einen aktiven Komplex, der wiederum die Zellteilung in Gang setzt. Gleichzeitig sorgt das Cyclin auch wieder für seine eigene Vernichtung, indem es ein Cyclin-abbauendes Enzym aktiviert. Erst wenn die Cyclin-Konzentration wieder auf einen hohen Wert angestiegen ist, kann der Zyklus von neuem beginnen.
Die Enthüllung dieser Choreografie war dem schwedischem Karolinska Institutet ihre renommierte Auszeichnung wert. Hartwell, Nurse und Hunt teilen sich im Jahr 2001 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie. Ihre Entdeckungen werfen nicht nur Licht auf einen fundamentalen biologischen Prozess, der in allen eukaryoten Organismen ähnlich abläuft. Sie sind auch von großem medizinischem Interesse, denn bei vielen Tumoren ist genau diese Kontrolle des Zellzyklus gestört.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.