Skurrile Materialwissenschaft: Messer aus menschlichen Exkrementen schneiden bescheiden
Es war einmal ein alter Inuk, der nicht mit seiner Familie, sondern allein auf dem Eis leben wollte. Das gefiel seiner Familie nicht. Eines Tages nahm sie ihm deshalb all seine Werkzeuge weg, damit er nicht anders konnte, als bei ihnen zu bleiben. Doch der alte Inuk ließ sich nicht abhalten.
Inmitten eines fürchterlichen Wintersturms trat er aus dem Iglu, verrichtete seinen Stuhlgang aufs Eis und formte aus seinen Fäkalien ein Messer. Und mit dem Messer aus tiefgefrorenem Exkrement tötete er einen Hund.
So oder so ähnlich lautet angeblich eine folkloristische Erzählung der Inuit, die der kanadische Autor und Fotograf Wade Davis in seinem Buch »Shadows in the Sun« wiedergibt. Im weitesten Sinne gilt diese Erzählung auch als Beleg dafür, wie findig die Inuit-Wildbeuter selbst unter den widrigsten Bedingungen wären. Anthropologen von der Kent State University und dem Cleveland Museum of Natural History haben diese Geschichte nun auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Mit Hilfe exkrementeller – Pardon! – experimenteller Archäologie.
Die Fragestellung der in den »Reports des Journal of Archaeological Science« erschienenen Studie lautet: Lässt sich mit einem Messer aus gefrorenen menschlichen Exkrementen Fleisch schneiden? Um diese Annahme zu prüfen, produzierte Studienleiter Metin I. Eren höchstpersönlich Testmaterial. Eine Woche stellte er sich auf eine protein- und fettreiche angebliche Inuit-Ernährung um, mit Lachs, Rind, Pute, Hähnchen und Käsemakkaroni. Aus seinen Exkrementen formten die Forscher dann Messer und kühlten sie auf minus 20 Grad Celsius. Kurz vor dem skatologischen Schneidetest ließen sie die Klingen antauen, schärften sie mit einer Feile und schockgefroren sie bei minus 50 Grad Celsius. Nun versuchten Eren und seine Kollegen, damit Fleischstücke von Schweinen zu säbeln. »Aber die aus gefrorenen menschlichen Fäkalien gefertigten Messer sind nicht funktional«, fanden die Forscher heraus. Die Messer hinterließen lediglich braune Streifen.
Fraglich bleibt, ob die Studie sauber gemacht wurde. Die Messer wurden bei Raumtemperaturen von 10 Grad Celsius getestet. In der Arktis können gerade im Winter deutlich tiefere Minustemperaturen eintreten. Gut möglich, dass ein richtig hartes Stück schön scharf schneidet. Überraschend ist auch eine Inuit-Diät aus Hühnchen, Rindfleisch und Käsemakkaroni. Traditionell steht vor allem viel fetter Fisch auf deren Speiseplan.
Doch wie ging eigentlich die Geschichte des alten Inuks aus? Als er sein Messer geformt hatte, schärfte er es – und zwar mit seinem Speichel. Dann tötete er den Hund und fertigte aus dessen Brustkorb einen Schlitten. Vor das Knochengefährt spannte er einen noch lebenden Schlittenhund und jagte in die Nacht davon.
Die Erzählung hantiert offensichtlich mit einigen fantastischen Elementen, womöglich gar scherzhaften Facetten. Dazu gehört etwa, dass jemand aus Fäkalien ein Messer macht und es noch dazu mit Spucke schärft. Doch dank Eren und Co kann diese arktische Legende nun getrost die Toilette hinuntergespült werden. Viel mehr noch! Jeder, der einmal in arktischer Kälte ums Überleben kämpfen muss, weiß: Er sollte sich in diesem Fall besser nicht auf die Materialeigenschaften seines Darminhalts verlassen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.