News: Mit Bildern gegen das Vergessen
Die Kölner verdanken die Gründung des Friedhofs Melaten einem Dekret Napoleons. Es ist der erste Friedhof, der außerhalb der Kölner Stadtmauern angelegt wurde. Notwendig war dies, weil auf den innerstädtischen Grabstätten unhygienische, die Gesundheit gefährdende Zustände herrschten.
Lange Zeit blieb Melaten der einzige Begräbnisplatz der Stadt, und noch heute gilt es für viele Bewohner der Metropole am Rhein als Privileg, dort zur Ruhe gebettet zu werden.
Bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts war der Friedhof der einzige Ort, an dem einem einfachen Bürger ein Denkmal gesetzt werden konnte. Bis zu dieser Zeit waren an öffentlichen Plätzen nur Herrscher, Feldherrn und Gelehrte denkmalswürdig. So wurde für Ferdinand Franz Wallraff (Konservator und Sammler) und auch Johann Heinrich Richartz (Kaufmann und Stifter) ob ihrer kulturellen Verdienste für Köln Mitte des letzten Jahrhunderts zunächst nur ein sandsteinernes Denkmal auf Melaten errichtet. Erst mit der Jahrhundertwende wurden sie durch monumentale bronzene Sitzstatuen vor dem Eingang des nach ihnen benannten Museums geehrt.
Eine Betrachtung der Form der Grabmäler, so die Kölner Kunsthistorikerin Benner, bringt wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung der Kunst- und Stilrichtungen der festgehaltenen Zeitabschnitte. Rückt hingegen die Funktion in den Blickpunkt des Interesses, so ergeben sich aufschlußreiche Informationen über die jeweilige Gesellschaft. Hier erlauben sich Rückschlüsse auf das Menschenbild, den vorherrschenden Jenseitsglauben und die Machtrepräsentation im untersuchten Zeitabschnitt. So war im letzten Jahrhundert für eine Frau die einzige Möglichkeit, durch selbständige Porträtdarstellung verewigt zu werden, ein früher Tod.
Lange Zeit sprachen die Experten den Grabmalen jeglichen Kunstwert ab. Erst in den letzten Jahrzehnten, so bemerkt Iris Benner, haben die Kunsthistoriker sich eingehender mit der Kunst am Grab befaßt. Am Beispiel des Kölner Melatenfriedhofs und der hier vertretenen Bildhauer zeigt sich, daß die Künstler aktuelle Tendenzen ihrer Zeit umgesetzt haben, ohne jedoch besonders innovativ oder gar avantgardistisch zu sein. Die Kunsthistorikerin führt dies auf die Gebundenheit des Künstlers an die Wünsche der Auftraggeber zurück.
Immer ist der Glaube der Menschen ausschlaggebend für ihren Totenkult. In der griechischen Antike glaubte man, daß die Seele nach dem Tode unwiederbringlich ins Schattenreich des Hades eingehe. So haben die Bildnisse dort nur die Funktion des Rückblicks, der Erinnerung. Mit dem aufkommenden Christentum verschwanden individuelle Porträts zugunsten stark typisierter, anonymer Bildwerke. Nach dem vorherrschenden Glauben war nicht von Bedeutung, was ein Mensch ist oder tut, sondern nur sein Glaube an das ewige Leben. Mit der Renaissance machte die religiöse Szene Platz für eine reine Porträtdarstellung. Repräsentative Porträtformen blieben jedoch den Adeligen sowie weltlichen und kirchlichen Herrschern vorbehalten. Die unteren Schichten mußten sich mit einfachen Holzkreuzen begnügen.
In unserem Jahrhundert erlebte die Porträtkunst auf den Friedhöfen parallel zum privaten Porträtkult zunächst einen erneuten Aufschwung. Nun spielte auch das Wissen um ein relativ großes Publikum, das die Sitte des Friedhofsbesuches pflegt, eine Rolle. Einfluß auf die Zunahme der bildlichen Darstellung des Verstorbenen hatte auch der wachsende Wunsch nach Individualität. Im engen Zusammenhang mit diesen Absichten ist auch die Wahl der Grabstelle zu sehen. Die Bankiersfamilie Herstatt etwa wählte für ihr Grab einen Platz am Hauptweg, sozusagen "in der ersten Reihe", und demonstrierte damit ihren Stolz auf die trotz protestantischer Konfession erworbene bedeutende gesellschaftliche Position.
Der Wert der künstlerischen Porträtdarstellung sank mit Einführung der Fotografie. Dies, die zunehmende Demokratisierung und der damit verbundene Machtverlust der oberen Schichten führt schließlich immer mehr zum Verschwinden der Porträtkunst auf den Friedhöfen.
Einen gravierenden Einschnitt in die Entwicklung des Grabmals stellte der erste Weltkrieg und die daraus resultierende Armut dar. Kollektive Gefallenendenkmäler erschienen nun zweckmäßiger. In der nationalsozialistischen Ideologie wurden dann Grabmonumente als wichtige Elemente des Parteikultes gefördert, ohne aber ihre vormalige Bedeutung als bürgerliches Individualdenkmal zurückzuerhalten.
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