News: Morgendliche Klebespiele
Ein solch eigenartiges Verhalten von Duschvorhängen hat natürlich schon früh findige Hobbyforscher auf den Plan gerufen, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. So ist es kein Wunder, dass ganz verschiedene Lösungsvorschläge kursieren, die sich teils widersprechen und teils ergänzen. Vieles ist jedoch Theorie, und nur einige Verwegene haben sich mit einer Kerze bewaffnet unter die Dusche gewagt, um jeden noch so kleinen Luftzug aufzuspüren.
Offensichtlich hatte auch David Schmidt von der University of Massachusetts schon schlechte Erfahrungen mit einem vorwitzigen Duschvorhang gemacht, denn der Forscher entschloss sich ebenfalls dazu, die Kräfte zu untersuchen, die das Stück Plastik bewegen. Schmidt kam dabei zugute, dass er sich schon von Berufs wegen mit Sprühvorgängen und Strömungen beschäftigte. Er stellte jedoch bald fest, dass das Problem lange nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Um das Phänomen ein für alle Mal zu klären, verwendete der Forscher eine Software der Firma Fluent, die er zuvor schon für seine Zwecke modifiziert hatte. So konnte die Simulationssoftware auch das Verhalten von Sprays – Gemischen aus Wasser und Luft berechnen. Schmidt erinnert sich: "Ich dachte es würde Spaß machen, das Programm zu nutzen, um den Effekt zu erklären."
Der Forscher ließ also mit einem Modell eines Duschvorhangs rechnen, das aus 50 000 kleinen Segmenten bestand. Für jedes einzelne Stück des Vorhangs wurde so unter Berücksichtigung der Erhaltung der Masse und des Impulses die Bewegung simuliert. Heraus kam, was eigentlich schon jeder wusste: "Der Duschvorhang wird nach innen gesaugt, weil drinnen ein niedrigerer Druck als draußen herrscht", so Schmidt. Zwei Ursachen gäbe es für diesen Druckunterschied.
Zum einen ist das der Bernoulli-Effekt, zum anderen bilden sich Wirbel. Der Bernoulli-Effekt bewirkt zum Beispiel, dass sich eine Flugzeugtragfläche in die Lüfte erhebt. Strömt nämlich Luft oder eine Flüssigkeit auf einer Seite eines Körpers schneller vorbei als auf der anderen, dann entsteht auf der Seite mit der schnelleren Strömung ein Unterdruck, der den Körper bewegt. Ähnlich ist es beim Duschvorhang: Das Wasser schießt aus der Brause, reißt Luft mit, und die schnelle Strömung erzeugt einen Unterdruck auf der Innenseite des Vorhangs, worauf sich dieser in Richtung des Schauers bewegt.
Die Wirbel bilden sich hingegen aufgrund des Luftwiderstandes, der den fallenden Wassertröpfchen entgegensteht. "Da für jede Kraft eine entsprechende Gegenkraft existiert, beginnt sich die Luft im Ausgleich zu bewegen", erklärt Schmidt. Dabei bildet die Luftströmung einen stabilen Kreis – einen Wirbel. "Ganz so wie eine Windhose drinnen. Nur dass diese – anders als die Windhose – nicht stirbt, da sie ständig von der Brause angetrieben wird." So saugt auch der Luftwirbel an der Plastikfolie.
Wer schließlich Schmidts Modell selbst testen möchte, kann seinen Tipps folgen: "Der beste Weg, um etwas zu sehen ist, das Wasser anzudrehen – kaltes Wasser funktioniert prima. Dann benutzt man Licht, eine dünnen Duschvorhang und einen großen Duschkopf. Man stellt sich außerhalb der Dusche auf, streckt den Kopf nach innen und bläst Rauch hinein."
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