Biomaterialien: Nervenleitungen aus Krabbenpanzer
Nervenverletzungen verursachen nicht nur hohe Behandlungskosten, die Unfallopfer leider oft lebenslang an den Folgen: Lähmungen, Missempfindungen wie Kribbeln und andauernde Schmerzen treten häufig auf. Ist der Nerv durchtrennt, hinterlässt er eine Lücke, die bislang mit einer Transplantation körpereigener Nerven überbrückt werden kann. Wissenschaftler um Claudia Grothe vom Institut für Neuroanatomie in Hannover wollen jetzt ein aus Krabbengehäusen gewonnenes Biopolymer nutzen – das so genannte Chitosan, um damit Nervenfunktionen bei Ratten wiederherzustellen.
Die Standardmethode der Transplantation berge zusätzliche Risiken, so die Forscher, da durch den Eingriff ein zweiter Nerv verletzt wird. Auch künstliche Nervenleitschienen aus Kunststoffen zeigen bisher noch deutliche Einschränkungen in ihrer regenerationsunterstützenden Funktion. Moderne Biomaterialien haben das Potenzial, diese unerwünschten Nebenwirkungen zu umgehen. Doch obwohl das Chitosan schon lange entdeckt ist, rückt es erst heute näher in den Fokus biomedizinischer und -technologischer Anwendungen, denn es bietet viele Vorteile: Es ist biokompatibel, vom Organismus gut abbaubar, ungiftig und zeigt strukturelle Ähnlichkeiten zu körpereigenen Bestandteilen. Diese Eigenschaften nutzend, generierten die Forscher um Grothe unterschiedliche Chitosanröhrchen und testeten sie dann in Kurz- und Langzeitversuchen an Ratten. Für die Versuche durchtrennten die Wissenschaftler den narkotisierten Ratten den Ischiasnerv und verbanden die Nervenenden wieder, indem sie zehn Millimeter lange Röhrchen aus Krabbenpanzer einsetzten. Nach 5, 18 und 21 Tagen sowie drei Monaten untersuchten die Forscher die Ratten nach ihrem Nervenregenerationsvermögen, nach stimulierenden Faktoren, dem Auftreten von Entzündungen und dem Vorhandensein von Schwannschen Zellen in der Nervenumgebung. Letztere sind Stützzellen, die die einzelnen Nervenfasern elektrisch voneinander abschirmen und für den Wiederaufbau des Nervs benötigt werden.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Chitosanröhrchen besonders gut eigneten, die Nervenfunktion und ihre Struktur wiederherzustellen – in ähnlichem Ausmaß wie die Transplantation körpereigener Nerven. Lediglich die Signalübertragung schnitt nach drei Monaten etwas schlechter ab, als bei der herkömmlichen Methode. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler um Grothe die Nervenleitschienen mit regenerationsfördernden Substanzen anreichern, um diese auf längere Nervenstrecken zu überprüfen.
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