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News: Nicht sauer genug

Manchmal stellt sich bei einer genauen Betrachtung der wirklichen Verhältnisse vor Ort heraus, daß Laborversuche zu irreführenden Annahmen verleitet haben. Eine entscheidende chemische Reaktion, von der man früher glaubte, daß sie mikrobielles Leben tief unter der Erdoberfläche ermöglicht, läuft so kaum in der Natur ab - der Säuregehalt der normalen Umgebung ist zu niedrig.
In Felsen entstehender molekularer Wasserstoff könnte als Energielieferant für unter der Erdoberfläche lebende Mikroorganismen dienen. Nach Aussage des Mikrobiologen Derek Lovley von der University of Massachusetts in Amherst galt diese These bislang als unstrittig. Es wurde angenommen, daß der Wasserstoff erzeugt wird, wenn Basaltgestein mit Wasser reagiert.

Ein Forschungsteam der University of Massachusetts und des U. S. Geological Survey (USGS)unter der Leitung von Lovley fand jedoch heraus, daß dieses Konzept nicht stimmt. Es kann zwar Wasserstoffgas aus Basalt freigesetzt werden, doch muß die Umgebung dafür sauer sein – eine Bedingung, die im Labor ganz selbstverständlich erfüllt wurde. In den unterirdischen Gesteinsschichten aber, die Basalt enthalten, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Folglich kann dort auch kein Wasserstoff aus dem Fels produziert werden, stellten die Wissenschaftler fest.

"Die Idee, daß aus Felsen erzeugter Wasserstoff große mikrobielle Ökosysteme unter der Oberfläche der Erde und möglicherweise auf anderen Planeten unterstützen könnte, war faszinierend und wurde von den meisten Mikrobiologen akzeptiert", sagt Lovley. "Leider wird diese Vorstellung durch die vorliegenden Daten nicht unterstützt."

Aufgrund von Analysen der chemischen und mikrobiologischen Daten kommt er zu dem Schluß, daß die Mikroorganismen wahrscheinlich von organischer Materie leben, die mit dem Felsen assoziiert ist. Dies wäre ein ähnliches Prinzip wie bei Mikroorganismen, die im Boden auf der Erdoberfläche wachsen (Science vom 14. August 1998).

Trotz dieser Ähnlichkeiten von Mikroorganismen, die über- und unterirdisch vorkommen, besitzen die Mikroorganismen in den tiefen Gesteinsschichten andere einzigartige Eigenschaften. Beispielsweise hat Lovleys neuste Forschung gezeigt, daß sie eingesetzt werden können, um radioaktive Metalle sowie Kohlenwasserstoffe aus verschmutzem Grundwasser zu eliminieren.

"Dies ist ein wichtiger Schritt vorwärts in Richtung eines besseren Verständnisses der Prozesse, die Leben tief unter der Erdoberfläche ermöglichen," sagt Mike Purdy, Direktor des Programm Life in Extreme Environments (LeXeN). "Negative Erkenntnisse wie diese sind in ihrer Bedeutung für das Verständnis der Prozesse, welche die Grenzen des Lebens bestimmen, genauso wichtig wie positive."

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