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News: Noch komplizierter als gedacht

Das magnetische Feld der Sonne scheint eine andere Form zu haben, als es viele Jahre lang angenommen wurde. Mit Hilfe eines neuen mathematischen Modells könnten einige bisher nicht erklärbare Beobachtungen beschrieben werden.
Es mehren sich die Beweise dafür, daß das Magnetfeld der Sonne eher einem wilden Zyklonen als–wie es fast 40 Jahre lang anerkannte wissenschaftliche Vorstellung war–einem schmucken Rasensprenger ähnelt. Die zyklonenartige Form geht auf ein mathematisches Modell zurück, das letztes Jahr zum ersten Mal von Len Fisk, Weltraumwissenschaftler der University of Michigan, vorgeschlagen wurde. Der neueste Beweis zur Unterstützung des Fiskschen Modells ist in einer Studie zu finden, die in der Ausgabe des Journal of Geophysical Research – Space Physics vom 1. November 1997 veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse dieser Studie werden ferner im Dezember auf dem Treffen der American Geophysical Union in San Francisco präsentiert.

Fisk zufolge ist das Verständnis der Sonne und deren Umgebung von großer Wichtigkeit. "Eine der Verbindungen, die es zwischen Sonne und Erde gibt, sind der Sonnenwind und die in ihm enthaltenen Magnetfelder. Die dadurch übertragene Energie kann die Erdatmosphäre beeinflussen, besonders in höheren Breitengraden." Außerdem beeinflußt das Magnetfeld der Sonne die kosmische Strahlung, also Partikel hoher Energie aus dem All. Fisks Team versucht nun herauszufinden, was ihr Modell über die Wechselwirkungen zwischen kosmischen Strahlen und dem Magnetfeld der Sonne voraussagt.

Bisher glaubten die Wissenschaftler, die magnetischen Feldlinien der Sonne verliefen spiralförmig, etwa wie das von einem rotierenden Rasensprenger ausgestoßene Wasser. Diese Auffassung geht zurück auf eine 1958 veröffentlichte Abhandlung von Eugene Parker von der University of Chicago. Als russische und amerikanische Satelliten in den 60er Jahren mit der Vermessung des Magnetfeldes der Sonne begannen, stimmten die ersten Messungen mit Parkers Modell überein. Jedoch enthüllten Daten der gemeinsamen Mission von NASA und europäischer Weltraumbehörde ESA, Ulysses, (die erste Mission, die die Sonnenpole überflog) Widersprüche, die die Wissenschaftler mit diesem Modell nicht erklären konnten.

Insbesondere konnte man mit diesem Modell nicht begründen, warum Ulysses Partikel mit geringer Engergieaufladung in der Nähe der Sonnenpole fand. Die Wissenschaftler wußten, daß diese Teilchen aus der Äquatornähe stammten, konnten jedoch nicht erklären, wie sie zu den Polen gelangten. So wie Eisenbahnwagen nur auf Gleisen fahren können, reisen diese Partikel meist nur auf magnetischen Feldlinien. Folglich können sie nur dann vom Äquator zu den Polen reisen, wenn die magnetischen Feldlinien dem gleichen Weg folgen. Parkers Modell zufolge, bleiben indes Feldlinien, die von den Polen her stammen, auch stets an den Polen. Gleichermaßen verbleiben Feldlinien, die vom Äquator stammen, am Äquator. Es gibt für diese Partikel keine "Gleise", um von einem Breitengrad zum anderen zu gelangen.

Nach Fisks Modell jedoch passieren Feldlinien unterschiedliche Breiten und bieten den Niedrigenergie-Partikeln somit eine Route. Fisk entwickelte die neue Auffassung, indem er verschiedene gut bekannte Phänomene auf neue Art und Weise miteinander kombinierte. Zuerst besann er sich auf etwas, das den Wissenschaftlern schon seit fast 100 Jahren bekannt ist, nämlich daß die Pole der Sonne langsamer rotieren als der Äquator. Dann berücksichtigte er die Tatsache, daß sich das Magnetfeld der Sonne ständig, aber nicht gleichförmig, ausbreitet. Schließlich bemerkte er, daß die Achse des Magnetfeldes leicht von der Rotationsachse abgesetzt ist. Diese Effekte zusammen verursachen magnetische Linien, die sich sturzartig von niederen zu höheren Breiten bewegen.

In der neuen Abhandlung präsentieren Fisk und seine Kollegen Thomas Zurbuchen und Nathan Schwadron Daten von Ulysses, die zeigen, daß das Magnetfeld der Sonne genau so vom Breitengrad abhängt, wie es das Fisk-Modell voraussagt.

In anderen, noch nicht veröffentlichten Arbeiten zeigt das Team, wie das Modell auch eine weitere Beobachtung erklären kann, die bisher verwirrte. Es geht hierbei um den Sonnenwind, einen kontinuierlichen, von der Sonne ausgehenden Partikelstrom. Die Ulysses-Beobachtungen enthüllten zwei Arten von Sonnenwind, die sich in Geschwindigkeit, Zusammensetzung und Quelle unterscheiden. Die eine Art, der langsame Sonnenwind, stammt aus der Umgebung des Äquators der Sonne. Die andere Art, der schnelle Sonnenwind, entsteht in höheren Breiten. Die Forscher vertreten die Ansicht, daß die Unterschiede zwischen den beiden Arten des Sonnenwindes durch die Neuorganisation des Magnetfeldes der Sonne erklärt werden können, die das Fisksche Modell vorhersagt.

Die Teammitglieder gestehen durchaus ein, daß ihr Modell – und die Interpretation der Daten, die es ihrer Meinung nach unterstützen – umstritten sind. Und das, so sagen sie, ist auch gut so.

"Das ist Wissenschaft, wie sie sein sollte", sagt Fisk. "Jemand beobachtet ein Phänomen, und das führt dazu, anders als bisher über die Dinge zu denken. Dann macht man daraus eine Theorie, die sagt, um was es geht, und die Leute beginnen, darin herumzustochern. Man sieht sich die beobachteten Beweise an und prüft sie. Dann wird sich das Modell zweifellos ändern – das tun Modelle schließlich immer."

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