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Nordwestpassage: Dieses Crewmitglied der Franklin-Expedition wurde verspeist

Die Not war groß, deshalb mussten die Überlebenden der Franklin-Expedition ihre verstorbenen Kameraden verspeisen. Das erste Opfer wurde nun identifiziert.
Gräber der Franklin-Expedition auf Beechey Island, Kanada
Die Franklin-Expedition war die letzte Forschungsreise des britischen Polarforschers Sir John Franklin. Sie sollte die Nordwestpassage erstmals vollständig durchsegeln - und scheiterte: Alle starben.

Im Jahr 1848 endete eine der wagemutigsten Entdeckungsfahrten der Neuzeit in einer Katastrophe: die letzte Expedition des britischen Polarforschers Sir John Franklin, der sich 1845 mit 133 Mann auf den beiden Schiffen »Erebus« und »Terror« aufgemacht hatte, um die arktische Nordwestpassage zu passieren. Als die Besatzung im April des besagten Jahres ihre Schiffe aufgeben mussten, machten sich die bis dahin 105 Überlebende zu Fuß auf nach Süden, um sich zu retten. Doch keiner kam lebend an. In ihrer Not aßen die Männer sogar verstorbene Kameraden, um nicht zu verhungern – eines dieser zum Teil verspeisten Opfer konnte ein Team um Douglas Stenton von der University of Waterloo mit Hilfe von DNA-Tests identifizieren.

Es handelte sich demnach um Captain James Fitzjames, der wie einige andere Expeditionsteilnehmer auf der kanadischen King-William-Insel bestattet wurde. Stenton und Co hatten für ihre Analyse DNA-Material aus einem Zahn des Kapitäns extrahiert und daraus Profile des Y-Chromosoms erstellt. Diese verglichen sie mit Proben von Nachfahren der Seefahrer, die zuvor schon ausfindig gemacht werden konnten – darunter auch eines Verwandten von Fitzjames, der über den Urgroßvater mit dem Kapitän in Bezug steht.

Damit konnten aber nicht nur die Überreste eines weiteren Opfers der Expedition einem Namen zugeordnet werden. Sondern es wurde auch der erste Mann identifiziert, den seine Kameraden zumindest teilweise verspeisten: Wie viele andere der bestatteten Seefahrer wies auch Fitzjames' Kiefer Schnittspuren auf, die durch Messer entstanden sein mussten. Die Männer hatten in ihrer Verzweiflung also Fleisch von den Knochen geschnitten, um nicht zu verhungern. Erzählungen von Inuit hatten dies bereits angedeutet: Sie berichteten von Leichen, die Spuren von Kannibalismus aufwiesen.

Viele Expeditionsteilnehmer erfroren und verhungerten, andere starben wahrscheinlich durch Krankheiten – begünstigt durch Zinkmangel, wie eine weitere Studie andeutet. Schlechte Versorgung mit dem Spurenelement macht Menschen anfälliger für Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Lungenentzündung. Anders als lange angenommen spielte Bleivergiftung hingegen keine Rolle beim Tod der Männer: Sie waren praktisch schon unrettbar verloren, bevor sich die Auswirkungen des Schwermetalls im Körper bemerkbar machen konnten.

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  • Quellen
Journal of Archaeological Science: Report 10.1016/j.jasrep.2024.104748, 2024

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