News: Pandoras Code
Der T-Zellen-Rezeptor besteht aus verschiedenen Proteinen. Die Teile, die in das umgebende Milieu ragen, analysieren die Antigene der B-Zellen und veranlassen die inneren Abschnitte, die Zelle zu aktivieren. Wissenschaftler glaubten einige Zeit, daß das auslösende Signal darin bestände, daß Phosphatgruppen an zwei lange Rezeptor-Bestandteile – die Zeta-Ketten – gebunden würden. Jede Zeta-Kette durchdringt die Zellmembran und besitzt im Zellinnern sechs einzelne Bindestellen für Phosphate. Von der Plasmamembran ausgehend werden diese Stellen mit A1, A2, B1, B2, C1 und C2 bezeichnet. Wie genau die Aktivierung stattfindet, war jedoch nicht bekannt.
Nun haben die Wissenschaftler sechs Antikörper produziert, die jeweils eine andere Bindestelle erkennen – jedoch nur, wenn ein Phosphat gebunden ist. "Dies gab uns die Möglichkeit festzustellen, wann die jeweilige Stelle phosphoryliert wurde und unter welchen Bedingungen dies geschah", führt Allen aus.
Sie entdeckten, daß sich im Ruhezustand zwei Phosphat-Gruppen an der Zeta-Kette der Helferzelle befinden. Die Phosphate sitzen an den Stellen B1 und C2. Die Forscher fanden auch heraus, daß B2 nur dann Phosphat binden kann, wenn A2 phosphoryliert ist. Darüberhinaus kann C1 nur dann phosphoryliert werden, wenn A1 bereits eine Phosphatgruppe besitzt. Es müssen sowohl A1 wie auch A2 bereits phosphoryliert sein, bevor eine Phosphatgruppe an B2 oder C1 binden kann. Daß heißt, daß die sechs Phosphate sich in einer festgelegten Reihenfolge anlagern müssen. Der Code, der die Türe öffnet, lautet: B1 – C2 – A1 – A2 – B2 – C1. Nur einen Teil des Codes einzugeben ist genauso sinnlos, wie die Eingabe eines falschen Sicherheitscodes bei einem elektronischen Schloß (Science vom 23. Juli 1998).
Eine Helferzelle wird nur dann vollständig aktiviert, wenn alle sechs Phosphate an den entsprechenden Stellen gebunden sind. Allen betont jedoch, daß die beiden Phosphate, die schon im Ruhezustand vorhanden sind, diesen Vorgang einleiten müssen.
Die Studie weist darauf hin, daß die Eingabe des "Sicherheitscodes" Zeit läßt, um das Antigen noch einmal zu überprüfen. Es wird vermieden, daß die Helferzelle eine voreilige Entscheidung darüber trifft, wen sie angreift. "Der Rezeptor muß lange genug in Anspruch genommen werden, um alle sechs Phosphate an die Zeta-Ketten zu binden", sagt Allen. "Dann sagt die T-Zelle 'In Ordnung, ich habe die Kriterien erfüllt, also kann ich jetzt weitermachen.' Wenn das Antigen aber zu dem Wirtskörper gehört, würde nicht der vollständige Code eingegeben werden, was die T-Zellen davon abhält, die körpereigenen Zellen anzugreifen." Daraus ergibt sich aber schon die nächste Frage, auf die nun eine Antwort gefunden werden soll: Warum lösen fremde Antigene eine vollständige Phosphorylierung aus, eigene Antigene jedoch nicht?
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