Evolution: Pflanze tarnt sich vor Menschen als Stein
Seit mehr als 2000 Jahren nutzen Menschen die Pflanze Lu Bei (Fritillaria delavayi) als Arzneimittel in der chinesischen Medizin. Das hat das hoch im Gebirge auf Schotterhalden wachsende Liliengewächs nicht ohne Widerstand hingenommen, stellte nun eine Arbeitsgruppe um Hang Sun von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fest. Wie das Team in »Current Biology« berichtet, hat sich die Pflanze dort, wo sie besonders oft gesammelt wird, Tarnfarben zugelegt. Das normalerweise leuchtend grüne Kraut ist in solchen Gebieten grau oder braun und deswegen im Geröll viel schwerer zu erkennen.
Schuld daran ist ironischerweise genau jener Mix an ungewöhnlichen Inhaltsstoffen, wegen denen sich die Pflanze erlauben kann, als grüner Farbfleck im graubraunen Geröll weithin sichtbar zu sein. Sie produziert Chemikalien, die ebenfalls dort lebende Nagetiere abschrecken – sie aber gleichzeitig als Medizinpflanze begehrt machen. So begehrt, dass dort, wo die in Höhen von über 3800 Metern wachsende Pflanze einfach zu sammeln ist, leicht zu übersehende Exemplare anscheinend eine klaren Vorteil haben.
Dieser Selektionsdruck machte aus dem eigentlich farbenfrohen Pflänzchen einen Meister der Tarnung. Die Arbeitsgruppe vermutet allerdings, dass der Erfolg für die Pflanzen auch einen Preis hat. Im Hochgebirge sind Bestäuber wie Hummeln relativ selten – und vermutlich evolvierte die ursprüngliche leuchtende Farbe, um für sie besser sichtbar zu sein. Ob die gut getarnten Pflanzen nun auch von Bestäubern weniger aufgesucht werden und ob sie Wege gefunden haben, das Problem zu lösen, will die Arbeitsgruppe als Nächstes klären.
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