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Plastisches Eis VII: Neue Eis-Art ist gleichzeitig fest und flüssig

Unter Hochdruck kann Wasser einen kuriosen Hybridkristall mit gleichzeitig festen und flüssigen Eigenschaften bilden. Das exotische Material verrät möglicherweise auch etwas über die Vergangenheit ferner Planeten.
Mehrere transparente Molekülstrukturen schweben vor einem verschwommenen blauen Hintergrund. Die Moleküle bestehen aus Kugeln, die durch kurze Stäbe verbunden sind, was chemische Bindungen darstellt. Dieses Bild vermittelt ein wissenschaftliches Thema und könnte in einem Artikel über Chemie oder Molekularbiologie verwendet werden.
Wasser ist einer der seltsamsten Stoffe im Universum.

In Hochdruckexperimenten haben Fachleute erstmals Hinweise auf eine besonders ungewöhnliche Form von Eis gefunden, die möglicherweise im Inneren von Planeten vorkommt. Das als »plastisches Eis VII« bezeichnete Material ist eine so genannte Hybridphase: Die Wassermoleküle verhalten sich teilweise wie ein Feststoff, teilweise wie eine Flüssigkeit, berichtet die Arbeitsgruppe um die Physikerin Livia Eleonora Bove von der Universität La Sapienza in Rom. Für ihre jetzt in der Fachzeitschrift »Nature« erschienene Veröffentlichung untersuchte die Arbeitsgruppe mit Hilfe einer Neutronenstrahl-Methode den Schmelzvorgang von Eis VII, einer Hochdruckversion von Wassereis. Dabei fand sie Hinweise auf das für plastisches Eis VII vorhergesagte hybride Verhalten.

Plastische Kristallphasen haben sehr ungewöhnliche Eigenschaften. Man kann sie verformen und zusammendrücken, ohne dass sie brechen wie normale Kristalle. Ob es solche Strukturen beim Wasser gibt, war bisher unklar. In diesen Hybridmaterialien sind die Moleküle zwar regelmäßig angeordnet wie in einem Kristall, können aber nahezu frei rotieren wie in einer Flüssigkeit. Zwischen den Wassermolekülen bilden sich sehr starke, gerichtete Bindungen, die einer freien Rotation entgegenstehen, deswegen erschien es bislang sehr unwahrscheinlich, dort eine plastische Phase zu finden. Computermodelle hatten jedoch nahegelegt, dass so ein Material entstehen könnte, wenn Eis VII schmilzt.

Die Bedingungen, unter denen Eis VII stabil ist und schmilzt, könnten einst im Inneren von Eismonden oder Eisplaneten geherrscht haben. Das Verhalten des exotischen Eises gibt deswegen möglicherweise Hinweise darauf, wie sich solche Himmelskörper entwickelt haben. Allerdings sind die vielen exotischen Varianten von Wassereis auch für sich genommen spannend. Das Team um Bove nutzte Drücke zwischen dem 30 000-Fachen bis zum 60 000-Fachen des Atmosphärendrucks und Temperaturen um 400 Kelvin, um kristallines Eis VII zu erzeugen. Dann erhöhten die Forscher schrittweise Druck und Temperatur, um den Übergang zwischen Festkörper und Flüssigkeit zu verfolgen. Dabei zeigt die Neutronenstreuung an, dass die Moleküle sich in der Flüssigkeit frei bewegen und rotieren, während sie im Kristall an einem Ort in ihrer Orientierung fest gebunden sind.

Doch oberhalb von 450 Kelvin deuten die Daten plötzlich auf etwas Neues hin: Moleküle, die an einem Ort bleiben, aber rotieren wie in der Flüssigkeit. Bisher ist noch unklar, wie das Material entsteht. Möglicherweise werden die einzelnen Moleküle nach und nach frei drehbar, spekulieren die Fachleute. Das wiederum könnte bedeuten, dass das plastische Eis VII seinerseits nur eine Zwischenstufe zu einer noch exotischeren Form des Eises ist. Bei noch höheren Drücken und Temperaturen, sagen Modelle, zerfallen die Wassermoleküle in positiv und negativ geladene Einzelteile. Dann bilden die Sauerstoffatome ein Kristallgitter, während sich die positiv geladenen Wasserstoffatome frei zwischen ihnen bewegen.

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  • Quellen
Nature 10.1038/s41586–025–08750–4, 2025

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