News: Proteinen in die Taschen geschaut
Gerhard Klebe von der Universität Marburg, sowie seine ehemaligen Mitarbeiter Stefan Schmitt und Manfred Hendlich erläutern, warum das keine triviale Aufgabe ist: "Zwar werden sich die räumlichen Strukturen einer Vielzahl von Proteinen mit modernen Verfahren, wie der Hochdurchsatz-Röntgenkristallographie, zukünftig rasch aufklären lassen. Ihre biochemische Funktion ist damit aber noch lange nicht bekannt. Denn die Funktion ist nicht unbedingt durch die Reihenfolge der Aminosäuren und das Faltungsmuster des Proteins festgelegt."
Anders als bisherige Strategien, bei denen Aminosäuresequenz und Faltungsmuster eines neuen Proteins mit denen bereits bekannter Proteine verglichen werden, geht der Ansatz der Marburger Forscher von Form und Zusammensetzung der "Bindetaschen" der Proteine aus: Um seine Aufgabe zu erfüllen, muss ein Protein sein Substrat oder seinen Liganden erkennen. Dafür hat es taschenförmige Vertiefungen auf der Oberfläche, in die diese Moleküle genau hineinpassen. Eine enzymatische Reaktion benötigt außerdem eine definierte räumliche Anordnung der Reaktionspartner zueinander. Das Enzym muss also eine sehr exakte Anordnung der einzelnen Bindestellen aufweisen. Proteine mit verwandten Funktionen sollten solche Ähnlichkeiten in ihren Taschen haben.
Klebe und seine Mitarbeiter haben eine Methode entwickelt, mit der sich die Bindetaschen am Computer einfach identifizieren und ihre Bindestellen präsentieren lassen. Die Datensätze von weit über 30 000 Taschen wurden so zu einer Datenbank zusammengestellt, die durchforstet werden kann, um Ähnlichkeiten in den Substrukturen der Taschen zu suchen. Für ein unbekanntes Protein finden sich auf diese Weise funktionelle Verwandte.
Während der Testläufe machten die Forscher durch Zufall eine interessante Entdeckung: Ein künstlicher Hemmstoff, der an das aktive Zentrum einer HIV-Protease bindet, lässt eine Bindestelle frei, offenbar eine Adenin-Bindestelle. Klebe: "Das ist ein wertvoller Hinweis für das Design von Pharmaka: Das Anhängen eines Adenin-Bausteins an den Hemmstoff könnte zu einem stärkeren Wirkstoff führen."
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