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News: Purzelbaum im Sonnenlicht

Zwischen Mars und Jupiter lauert die Gefahr. Millionen knapp einen Kilometer große Gesteinsbrocken taumeln hier auf mehr oder weniger elliptischen Bahnen um die Sonne. Der eine oder andere könnte der Erde gefährlich werden - erst recht, wenn ihnen unser Zentralgestirn den passenden Schubs verpasst.
6489 Golevka
Kein Jahr ohne Beinahe-Kollision. So kommt es einem zumindest vor, wenn man die Meldungen über erdnahe Asteroiden in der Presse verfolgt. Kein Wunder also, dass auch Hollywood längst auf diesen Zug aufgesprungen ist und uns das eine oder andere Untergangsszenario samt möglichem Ausweg aus der Katastrophe spendiert hat.

Bislang, so vielleicht die beruhigende Nachricht, haben Astronomen jedoch noch keinen Killer im All ausgemacht, der die Erde im Visier hat. Höchstens über verschlungene Umwege könnte uns eventuell der 1,1 Kilometer große Brocken 1950 DA in rund 900 Jahren beunruhigend nahe kommen – genug Zeit, um über das Problem nachzudenken, könnte man meinen. Doch ein schaler Beigeschmack bleibt, denn wie genau lassen sich eigentlich die Bahnen von Asteroiden vorhersagen?

Erstaunlich genau, zumindest wenn man sich auf die erdnahen beschränkt, die wenig mit ihres gleichen wechselwirken. Und doch zu kleinen Abweichungen von der Bahn sollte es theoretisch kommen. Verantwortlich dafür: der Jarkowski-Effekt.

Verursacht wird dieser durch die Strahlung der Sonne. Denn sie erwärmt einen Teil des Asteroiden, der dann seinerseits mit etwas Verzögerung Wärmestrahlung emittiert. Nun hat auch ein Lichtteilchen einen, wenn auch sehr kleinen Impuls, sorgt also bei der Emission für einen winzigen Rückstoß des Asteroiden. Das fiele nicht weiter ins Gewicht, wenn die Himmelskörper ideale Kugeln wären und ruhig ihre Bahnen ziehen würden. Doch meist sind die Klumpen alles andere als kugelförmig, weisen vielmehr eine unebene, manchmal gezackte Form mit teilweise unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften auf. Dies zusammen mit einer Rotation um die eigene Achse verleiht einem Asteroiden aufgrund des Jarkowski-Effekts einen Nettoimpuls, der ihn weiter aus dem Sonnensystem hinaus tragen kann, aber auch von seiner angestammten Bahn ins innere Planetensystem, ja sogar in Erdnähe bringen kann.

Soweit zumindest die Theorie, denn bislang ließ sich der Effekt nur an Satelliten im Erdorbit nachweisen. Bei Asteroiden konnte die Bahnänderung indes nicht beobachtet werden. Um es kurz zu machen: Nun ist der Beweis da. Radarmessungen im Mai dieses Jahres unter anderem mit der Arecibo-Schüssel in Puerto Rico zeigten: Der Asteroid 6489 Golevka ist nicht da, wo er hingehört, sondern 15 Kilometer von dem Punkt entfernt, den ihm allein die Gravitation zugewiesen hätte. Nicht viel, angesichts der 16 Millionen Kilometer – das ist rund 40-mal die Entfernung Erde-Mond –, die er zu diesem Zeitpunkt von der Erde entfernt war, aber immerhin.

"Das war recht viel, verglichen mit der Messunsicherheit des Radars von einigen zehn oder hundert Metern", erklärt denn auch Steve Ostro vom Jet Propulsion Laboratory. Der Forscher hat zusammen mit seinem Institutskollegen Steven Chesley und einigen anderen Wissenschaftlern die Bahn des je nach Angabe zwischen 350 und 500 Meter großen Brocken bestimmt. Dabei griffen die Forscher auch auf bis zu zwölf Jahre alte Beobachtungsdaten zurück, was unerlässlich ist, um Einflüsse auf die Flugbahn wie den Jarkowski-Effekt sicher zu bestimmen.

So zogen die Forscher neben der Schwerkraft auch den Strahlungsdruck der Sonne, Gravitationseffekte der Planeten sowie anderer Asteroiden und eben den Jarkowski-Effekt in ihre Modellierung mit ein. Neben dem erfolgreichen Beweis der Theorie konnte das Team damit auch die Dichte des Himmelskörpers bestimmen: 2,7 Gramm pro Kubikzentimeter bei einem Fehler von etwa einem halben Gramm lautet ihr Ergebnis. Angesichts einer typischen Dichte von rund 3,4 Gramm pro Kubikzentimeter für Chondrite scheint Golevka also etwas poröser zu sein.

Sei's drum, wenn der schwere Brocken auf die Erde träfe, würde es wohl kaum einen großen Unterschied machen. Jedenfalls lässt sich die Bahn des Kleinplaneten in Zukunft vermutlich mit größerer Genauigkeit voraussagen, sodass im Falle des Falles zumindest für dieses Geschoss etwas Vorwarnzeit bliebe – was immer das auch bringen mag.

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