News: Saure Erkenntnis
Als Auslöser galt lange Zeit die von der Magenschleimhaut produzierte Magensäure. Normalerweise schützt ein alkalischer Schleim die Zellen der Darmwand vor dieser Säure. Ist diese Schleimhautbarriere zerstört, gelangt die Säure an die Magenwand und kann dort Blutungen und Entzündungen verursachen.
Reguliert wird die Magensäureproduktion durch das Hormon Gastrin, das die so genannten G-Zellen der Magenschleimhaut bei einem alkalischen pH-Wert produziert. Sinkt der pH-Wert, so schütten D-Zellen das Hormon Somatostatin aus, welches wiederum die Freigabe von Gastrin hemmt und damit die Magensäureproduktion stoppt. Dieser Regulationsmechanismus scheint bei einer Gastritis gestört zu sein.
Überraschend war 1983 die Entdeckung, dass auch ein Bakterium, Helicobacter pylori, eine Magenschleimhautentzündung hervorrufen kann. Da das weit verbreitete Bakterium gegen Magensäure resistent ist, verordnen Ärzte so genannte Protonenpumpenhemmer (PPI), die den Transport von Protonen, dem gemeinsamen Bestandteil aller wässrigen Säuren, unterbinden. Damit steigt der pH-Wert, der Magen wird basischer, und die baseempfindlichen Bakterien sterben ab.
Forschungen unter der Leitung von Juanita Merchant am Howard Hughes Medical Institute geben nun Anlass, an der Behandlung mit PPI zu zweifeln. Die Wissenschaftler untersuchten die Gastrinregulation und arbeiteten daher mit transgenen Mäusen, denen das Gen für Gastrin fehlt. Als sich zeigte, dass sich diese Tiere nicht mit Helicobacter pylori infizieren ließen, stellten die Wissenschaftler überrascht fest, dass sich in den Mägen bereits zahllose Bakterien tummelten – statt Helicobacter allerdings Lactobacillus, Enterobacter und Staphylococcus.
Offensichtlich entscheidet der pH-Wert des Magens über die dominierenden Bakterienstämme. Damit hätte die Gabe von PPI einen unerwünschten Effekt: Statt vermeintlich vorhandene Helicobacter zu töten und gleichzeitig die entzündungsfördernde Wirkung von Magensäure zu reduzieren, würde das Bakterienwachstum durch fehlende Säure begünstigt und die Entzündung verschlimmert.
Um ihre Hypothese zu überprüfen, verabreichten die Forscher infizierten Mäusen entweder nur PPI, nur Antibiotika oder eine Kombination von beidem. Eine Vergleichsgruppe erhielt überhaupt keine Medikamente. Nach einiger Zeit wiesen die mit PPI behandelten Mäuse mehr Bakterien und schwerere Entzündungen auf als die Kontrollgruppe. Hingegen zeitigte die ausschließliche Behandlung mit Antibiotika die schnellsten und besten Erfolge. Auch bei der Kombinationstherapie klang die Entzündung schließlich ab – trotz fortgesetzter Gabe von PPI.
Die Tatsache, dass die mit PPI behandelten Mäuse trotz niedrigem pH-Wert im Magen weitergehende Erkrankungen entwickeln, zeigt, dass die Ursache für diese Erkrankungen nicht zwingend in einem hohen Säuregehalt begründet ist. Vielmehr scheint ein Übermaß an Bakterien der Auslöser dafür zu sein. Gleichzeitig fanden die Forscher bei diesen Mäusen eine hohe Zahl von Gastrin-produzierenden G-Zellen sowie eine hohe Gastrin-Konzentration. Dies spricht dafür, dass die Gastrin-Produktion nicht wie bisher angenommen direkt über den pH-Wert gesteuert wird, sondern mit dem Grad der Entzündung in Wechselwirkung steht.
Aus Sicht von Merchant stellt sich die Wirkungskette wie folgt dar: PPI führen zu einem Anstieg der Zahl der Bakterien, verschlimmern die Entzündung und regen damit die Produktion von G-Zellen an, die wiederum Gastrin ausschütten. Da die Säureproduktion jedoch von den PPI gehemmt wird, können sich die Bakterien weiter vermehren. Durch Antibiotika hingegen sterben die Bakterien ab, sodass in der Folge die Entzündung zurückgeht. Somit entstehen weniger G-Zellen, der Gastrin-Gehalt sinkt und die Säureproduktion nimmt ab: Der pH-Wert sinkt schließlich auf ein normales Maß.
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