News: Schnell beim Schnappen
Ausgehend von dem Schnappreflex bei Odontomachus hat der Würzburger Zoologe mehrere Gebiete bearbeitet, darunter die Arbeitsweise ähnlicher Schnappkiefer bei anderen Ameisengattungen. Sein Fazit: Schnappkiefer haben sich im Lauf der Evolution unabhängig und wiederholt bei verschiedenen, nicht näher miteinander verwandten Ameisengruppen entwickelt. Dabei ähnelt sich das Funktionsprinzip bei allen Gattungen: ein starker, langsamer Schließmuskel zieht sich vor dem Schnappen zusammen, die Energie wird elastisch gespeichert. Dann rastet ein kleiner, sehr schneller Muskel die blockierten Kiefer aus und bewirkt so das Schnappen. Dieser Reflex wird immer durch besonders dicke, schnelle Nervenfasern kontrolliert. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den Ameisengattungen, zum Beispiel bei der Blockierung der Kiefer oder bei den beteiligten Muskeln.
Dr. Gronenberg hat sich auch mit der Kontrolle der Kieferbewegungen bei "normalen" Ameisen befaßt. Denn viele Ameisen, die keinen Schnappmechanismus besitzen, können ihre Kiefer dennoch flink bewegen – wenn auch nicht so flink wie Odontomachus. Dies wird durch schnelle Muskelfasern ermöglicht.
Darüber hinaus besitzen alle Ameisen langsame, aber sehr kräftige Fasern in ihren Kiefer-Schließmuskeln, die ihnen das kraftvolle Zubeißen beim Graben, Körnerknacken oder Holzbohren erlauben. Die Kiefermuskeln werden durch eine besonders große Anzahl von Nervenfasern sehr genau kontrolliert. Das erklärt, warum alle Ameisen auch zu besonders präzisen, feinfühligen Kieferbewegungen imstande sind, etwa beim Tragen und Belecken ihrer Eier und Larven.
Als der Würzburger Forscher untersuchte, wie sich die Antennen der Ameisen beim Schnappreflex verhalten, stellte sich heraus, daß die Tiere ihre Antennen ebenfalls mit einem Reflex zurückziehen. So werden diese empfindlichen und wichtigsten Sinnesorgane der Ameisen vor Verletzungen durch die eigenen Kiefer oder durch Gegner geschützt. Die Antennen-Rückziehmuskeln sind besonders groß und aus besonders schnellen Fasern aufgebaut und werden über Rückkoppelungskreise gesteuert. Solche Antennenreflexe fand Dr. Gronenberg bei den meisten untersuchten Ameisenarten.
Nicht nur bei Ameisen, auch bei Bienen, Wespen, Fliegen und anderen Insekten sind die Muskeln aus röhrenförmigen Fasern aufgebaut. Für die meisten Muskelfunktionen scheint dies nicht von Bedeutung zu sein. "Aber dieser Fasertyp erlaubt offensichtlich bestimmte extreme Spezialisierungen, wie die Konstruktion besonders schneller oder besonders ausdauernder Muskeln", so Dr. Gronenberg.
Auf den ersten Blick scheinen diese Untersuchungen nur für Spezialisten interessant zu sein. Doch die Kontrolle feinster und das Zustandekommen besonders schneller oder kräftiger Bewegungen ist auch bei "großen" Tieren und beim Menschen von Interesse. Die Grundlagen für die nervöse Bewegungssteuerung und auch Bau und Funktion der Muskeln seien bei Ameise und Mensch erstaunlich ähnlich, sagt Dr. Gronenberg. So könne man mit Hilfe von kleinen, einfachen Systemen auch komplexere Zusammenhänge besser verstehen.
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