News: Schreiben mit Licht
Es gab jedoch bereits Hinweise, dass bestimmte Polymerlösungen schon auf schwaches Licht bei geringer Fokussierung reagieren. So war aus dem Laboralltag schon seit längerem bekannt, dass sich bei Lichtstreuuntersuchungen mit Lösungen aus Block-/Copolymeren aus Polystyrol und Polyisopren der beleuchtende Laserstrahl immer weiter aufweitet und letztlich verschwindet.
Jetzt hat Reinhard Sigel vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung zusammen mit Kollegen aus dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung sowie von der University of Athens und dem FO.R.T.H.-Institute of Electronic Structure and Laser in Heraklion die Ursache der Strahlaufweitung für Homopolymerlösungen genauer untersucht und in einem Mikroskopaufbau senkrecht zum Laserstrahl im Detail sichtbar gemacht. Hierbei stellten die Forscher überraschend fest, dass sich mit dem Laserstrahl Punktreihen oder linienartige Fäden mit einigen Mikrometer Durchmesser in die Lösung schreiben ließen. Die Polymerkonzentration stieg an diesen Stellen stark an. Die entstehenden Fäden wiederum verhielten sich dabei wie Fasern eines Lichtleiters und führten auf diese Weise zu einer Selbstverstärkung des Effekts.
Die mit dem Laserstrahl bewirkte Materialverschiebung erinnerte die Forscher an eine "optische Pinzette", die mit einem stark fokussierten Laserstrahl zum Beispiel einzelne Kolloidteilchen festhalten kann. Dabei muss die Haltekraft der Pinzette ausreichend groß sein, damit das Teilchen nicht durch die Wärmebewegung wieder entkommt. Überschlagsrechnungen für die jetzt untersuchten Polymerlösungen ergaben jedoch, dass bei der geringen Fokussierung des Lasers die Haltekraft für ein Monomer um acht Größenordnungen kleiner ist als bei der Fixierung mit einer optischen Pinzette. Die Ursache für diesen geringeren Kraftaufwand sehen die Wissenschaftler in der Anordnung der Monomere in Polymerketten.
Tatsächlich konnten sie eine direkte Korrelation zwischen dem Auftreten des "Schreib-Effekts" und der Konzentration der Polymere in Lösung nachweisen. Während Polymere in stark verdünnten Lösungen als Einzelketten vorliegen, fangen sie bei höherer Konzentration an, sich zu überlappen. Steigt der Polymeranteil in der Lösung noch weiter an, bildet sich durch Verschlaufung ein Polymer-Netzwerk, das sich wie Gummi verhält: Wird an einer Stelle gezogen, wirkt die Kraft über die gesamte Probe, und es verschieben sich auch die Makromoleküle an anderen Stellen im Netzwerk. Der Konzentrationsgrad, von dem ab sich eine Polymerlösung ähnlich wie Gummi verhält, bildet offensichtlich die untere Grenze für das Auftreten des "Schreib-Effekts". Die Makromoleküle reagieren also nicht einzeln auf den Einfluss des Lasers, sondern erst kollektiv als Netzwerk.
Beim Test verschiedener Polymere fanden die Forscher ein weiteres Kriterium für das Auftreten des neuen Effekts: Er trat bei Makromolekülen mit Doppelbindungen in der Hauptkette auf, wie Polyisopren, nicht aber bei Polymeren ohne Doppelbindungen in der Hauptkette, wie Polystyrol. Dasselbe Phänomen fanden die Wissenschaftler auch bei Polybutadien auf, ein Polymer, dass in zwei Formen hergestellt werden kann – mit Doppelbindungen in der Hauptkette oder nur in den Seitenketten. Auch hier trat die Strahlaufweitung nur bei der Form mit Doppelbindungen in der Hauptkette auf.
Reinhard Sigel meint zu dem neuentdeckten Effekt: "Heute können in der Polymerchemie bereits Substanzen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften maßgeschneidert werden. Die jetzt entdeckte Möglichkeit, diese Substanzen mit einem Laser schwacher Intensität effizient und gezielt beeinflussen zu können, eröffnet viele Perspektiven für neue mikrostrukturierte Materialien und deren Anwendung."
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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