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News: Schwierige Entscheidung

Ist es moralisch vertretbar, ein Menschenleben zu opfern, um fünf andere zu retten? Immer und immer wieder präsentieren Psychologen ihren Versuchspersonen diese Frage, verpackt in verschiedene Szenarien. Und je nach Geschichte entscheiden sich die Probanden unterschiedlich - obwohl das Grundproblem doch immer dasselbe ist. Der Schlüssel liegt offenbar darin, wie sehr eine Fragestellung unser Gefühlsleben anspricht. Zumindest lassen Aufnahmen der Gehirnaktivität darauf schließen.
Zwei Situationsbeschreibungen aus einem klassischen psychologischen Test: Ein Eisenbahnwaggon rollt auf fünf ahnungslose Menschen zu. Ist es nun legitim, einen Hebel umzulegen, durch den der Wagen auf eine andere Strecke abzweigt, dort aber einen anderen Menschen überfährt? Ja, antworten die meisten. Doch wie sieht es aus, wenn der Betrachter zusammen mit einem Fremden auf einer Brücke steht und das Unheil nur verhindern könnte, indem er diesen hinunterstößt? Das ist nun wiederum nicht vertretbar, entscheidet hier der Großteil der Befragten. Wo aber liegt der Unterschied?

Darin, wie sehr uns die Entscheidung emotional betrifft, antworten Joshua Greene und seine Kollegen von der Princeton University. Denn das Hinunterstoßen eines neben uns stehenden Menschen ist mit ganz anderen Gefühlsregungen verbunden als die Verwendung eines technischen, unpersönlichen Hilfsmittel, durch das jemand anders indirekt zu Schaden kommt.

Um diese Vermutung zu überprüfen, präsentierten die Forscher neun Freiwilligen insgesamt 60 verschiedene Probleme, in denen die Versuchspersonen alternative Reaktionen als angemessen oder nicht angemessen beurteilen sollten. Dabei ging es nicht nur um Situationen, die den Dilemmas mit den Eisenbahnwaggons glichen, sondern auch um harmlose Probleme wie der Wahl eines Transportmittels für das Zurücklegen einer Strecke in einer vorgegebenen Zeit.

Während die Probanden über den Fragen brüteten, beobachteten die Forscher die Aktivität bestimmter Gehirnregionen mit funktioneller Magnetresonanzspektroskopie (fMRI). Und dabei stellten sie deutliche Unterschiede fest: Rangen die Testteilnehmer gerade über einer moralisch schwierigen Entscheidung wie der, ob sie den Menschen neben sich von der Brücke stoßen, beschäftigten sie Regionen, die mit Gefühlen eng in Verbindung gebracht werden. Galt es zu entscheiden, den Schalter umzulegen, waren die entsprechenden Regionen nicht so aktiv. Und auch bei Fragen, die unabhängig von der Gefühlswelt waren, blieb es in diesen Bereichen recht ruhig.

Dafür büßte das Arbeitsgedächtnis an Bedeutung für die moralisch schwierige Entscheidung ein – obwohl hier Teile des rationalen Denkens ablaufen, bei dem verschiedene vernünftige Überlegungen gegeneinander abgewogen werden. Darauf griffen die Personen jedoch zurück, wenn es um die Frage des Umdirigierens oder beispielsweise das Transportmittel ging.

Auch brauchten Versuchsteilnehmer, die sich bei der Brückenfrage entgegen der gängigen Meinung für ein Hinunterstoßen entschieden, im Vergleich deutlich länger für ihre Entscheidung. Nach Ansicht der Wissenschaftler weist dies darauf hin, dass sie im Innern hart mit ihren Gefühlen kämpfen mussten, um letztendlich eine Vernunftsentscheidung zu treffen.

Das grundlegende Problem – nämlich, was ist nun moralisch vertretbar und was nicht – haben die Forscher damit natürlich nicht gelöst, und auch nicht, was moralisch richtig oder falsch ist. Aber sie konnten zeigen, dass unsere Gefühle tatsächlich ein ganz wichtiges Wörtchen mitzureden haben, wenn wir schwierige Entscheidungen treffen. Eine Tatsache, die wir wohl alle aus dem täglichen Leben kennen – Vernunft und Gefühl sagen oft Gegensätzliches. Die Frage ist nur, worauf man dann hört.

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