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News: Sprechende Gesten

Die menschliche Sprache entwickelte sich aus einem System von Gesten, mit dem Urmenschen kommunizierten, lange bevor sie anatomisch dazu in der Lage waren, zu sprechen. Ermöglicht wurde diese "optische" Form der Verständigung durch eine spezielle Verschaltung von Nervenzellen, die Menschen besitzen - und Affen ebenso.

Giacomo Rizzolatti von der Universita degli studi di Parma und seine Arbeitsgruppe entdeckten vor einigen Jahren eine Gruppe von Nervenzellen im prämotorischen Cortex von Affen, die sie "Spiegelneuronen" nannten. Diese sind nicht nur aktiv, wenn das Tier selbst nach etwas greift oder ein Objekt mit den Händen manipuliert – Spiegelneurone reagieren auch dann, wenn der Affe einen anderen Affen oder Menschen eine solche Handlung vollziehen sieht. Mit Hilfe dieser Nervenzellen kann das Tier die Bedeutung dessen erkennen, was ein anderes gerade tut, erklärt Michael Arbib von der University of Southern California. Damit schaffen sie die neuralen Vorraussetzungen für die Entwicklung von Kommunikation zwischen Individuen – und damit für die Entwicklung von Sprache, fügt er hinzu.

Sowohl das Individuum, das eine Nachricht sendet, als auch jenes, das die Information erhält, müssen die Bedeutung des Signals verstehen. Folglich sind die Spiegelneuronen das "missing-link" in der Evolution von Sprache: Sie ermöglichen es, Bedeutung zu teilen, meint Arbib.

Mit Hilfe der Positronenemmissions-Tomographie (PET) entdeckten die Forscher jetzt einen ähnlichen Mechanismus im menschlichen Gehirn. Im Broca-Areal – einer Region im hinteren Teil des linken frontalen Cortex, die eine entscheidende Rolle bei der Sprachproduktion spielt – fanden sie einen entsprechenden neuralen Schaltkreis. Dieser reagiert sowohl auf selbstdurchgeführte Bewegungen der Hand als auch auf das bloße Zusehen bei solchen Aktionen (Trends in Neurosciences vom Mai 1998).

Diese Entdeckung unterstützt die Theorie, daß sich die menschliche Sprache aus einem gestischen Kommunikationssystem entwickelte.

Auch Analysen fossiler Schädel legen die Vermutung nahe, daß der Mechanismus für Sprache im menschlichen Gehirn schon angelegt war, lange bevor es einen Kehlkopf gab, der artikulierte Laute produzieren konnte. Affen und Menschenaffen können zwar immer noch nicht sprechen – die Schaltkreise für eine einfache Form der Kommunikation haben sie allerdings. Die Tiere teilen sich vor allem über ein reiches mimisches "Vokabular" mit. Interessanterweise ist bei ihnen die Hirnregion, welche dem Broca-Areal entspricht, mit der Mimik, nicht aber mit der Lautbildung verknüpft.

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