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Archäologen gegen Geologen: Streit um neues Zeitalter

Ärger um einen neuen Abschnitt der Erdgeschichte: Das Klima habe weltweit Hochkulturen zerstört, schrieben Geologen. Archäologen halten das für Quatsch.
Ruinen der Indus-Kultur

Zwei Jahrhunderte lang herrschte in den Tropen Trockenheit. Rund um den Globus, vom Nil bis zum Yangtze, versanken blühende Zivilisationen in Trümmern. So dramatisch war das Ereignis, dass die Internationale Kommission für Stratigraphie im Juli 2018 diesen Moment der Geschichte als Beginn eines neuen geologischen Zeitabschnitts definierte. Demnach begann vor mehr als 4000 Jahren das Meghalayum – das letzte von drei Unterkapiteln des Holozäns.

Die Spuren der Trockenphase finden sich in den Schlammschichten westafrikanischer Seen und in der Eiskappe des Kilimandscharo ebenso wie in Pollenproben aus Nordamerika und Australien. Veröffentlichungen zeigen Spuren schwerer Dürre in China, gleichzeitig schwächte sich der Monsun in Südasien ab. In Kanada wuchsen die Gletscher, in Europa die Torfmoore.

Gleichzeitig zerfiel in Mesopotamien das Akkadische Reich, und in Ägypten endete das Zeitalter der Pyramiden. Weiter östlich verfiel die Harappa-Zivilisation am Indus zu einer dörflich geprägten Kultur, auch in China machten Landwirtschaft treibende Gemeinschaften Platz für die dürretolerantere Viehhaltung. Für die Kommission Grund genug, den globalen Kollaps als Beginn einer neuen stratigrafischen Unterteilung zu verkünden.

Klima des Untergangs

Dagegen gibt es Protest, und zwar von außerhalb des Fachgebiets. Der Archäologe Guy D. Middleton vom Tschechischen Institut für Ägyptologie in Prag protestiert in »Science« gegen den, wie er schreibt, Umwelt- und Klimadeterminismus hinter der Entscheidung. Einen globalen, vom Klima ausgelösten Zusammenbruch habe es nie gegeben und damit auch nicht die zugehörige Zeitenwende. Vielmehr hätten sich die genannten Gesellschaften über unterschiedliche Zeiträume in komplexer Weise verändert.

Hinter der Kritik steckt eine schon seit einer Weile schwelende Debatte: Zerstört der Klimawandel Zivilisationen? Spätestens seit der Ökologe und Geograf Jared Diamond 2005 in seinem Buch »Kollaps« die Bedeutung von Umweltfaktoren als Grund für gesellschaftliche Zusammenbrüche hervorhob, hat diese Sicht an Einfluss gewonnen. Nicht zuletzt im Hinblick auf den modernen Klimawandel.

Viele Fachleute widersprechen dieser Sichtweise allerdings energisch. Kritik entzündet sich nicht nur an der Gewichtung bestimmter Begründungen, sondern durchaus auch am gelegentlich unterkomplexen Verständnis kultureller Prozesse hinter solchen Erklärungsansätzen.

Was man vor einigen Jahrzehnten noch als Untergang und Kollaps dramatisierte, stelle sich im Licht moderner archäologischer Befunde eher als längere komplexe Veränderungsprozesse dar, führt auch Middleton in der Causa Meghalayum an. Die Kommission sei, so seine Schlussfolgerung, schlicht veralteten Hypothesen aufgesessen.

Der Archäologe kritisiert nicht nur eine erdgeschichtliche Unterteilung, sondern greift ein allgemeines Unwohlsein insbesondere in den Kultur- und Geschichtswissenschaften auf. Solcher ökologischer und klimatischer Determinismus dränge, lautet gängiger Widerspruch, politische und soziale Prozesse in den Hintergrund; er verleugne die Fähigkeit von Menschen und Gesellschaften, Veränderungen im großen Stil zu gestalten.

Nicht zuletzt stoßen sich viele Kritiker an der Vorgeschichte solcher Ideen. Seit der Antike machen Denker Klima und Umwelt für vermeintliche Eigenschaften von Völkern verantwortlich. Mit der Behauptung, tropisches Klima würde Menschen unzivilisiert und träge machen, rechtfertigten vor allem europäische Mächte im späten 19. Jahrhundert koloniale Verbrechen. Ein paar Jahrzehnte später galt in der nationalsozialistischen Rassenlehre das Klima als ein Grund für die Überlegenheit der »Nordischen Rasse«.

Tücken des Klickbaits

Das allerdings ist schon recht weit weg von dem scharfen Knick, den die Kurve des Sauerstoffisotopenverhältnisses in einem Tropfstein der indischen Mawmluh-Höhle im Bundesstaat Meghalaya macht. Der Ausschlag fand vor 4200 Jahren statt und definiert formal den Beginn des dritten und letzten Unterabschnitts des Holozäns – zusammen mit einem Stück Eis vom Mount Logan, Kanadas höchstem Berg.

In letzter Konsequenz ist das Meghalayum vor allem eine teilweise durchaus willkürlich gesetzte Orientierungsmarke für Fachleute, die sich mit den jüngsten Abschnitten der geologischen Zeitskala befassen. In jener Veröffentlichung von 2012, die das Meghalayum zuerst als neue Stufe des Holozäns zur Debatte stellte, sind Aufstieg und Untergang menschlicher Zivilisationen nur ein Nachgedanke. Die umstrittene Passage ist der siebte und letzte Punkt in der Liste von Argumenten für das neue Zeitalter.

Mit Archäologie habe die neue Unterteilung des Holozäns nichts zu tun, stellte Philipp Gibbard, der Generalsekretär der Internationalen Kommission für Stratigraphie, gegenüber »National Geographic« klar. Er habe inzwischen veranlasst, die Pressemitteilung mit dem Titel »Weltweiter Zusammenbruch von Zivilisationen definiert jüngste Einheit der geologischen Zeitskala« von der Website seiner Organisation zu entfernen.

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