News: Stress macht vergesslich
Dem gingen der Physiker Dominique de Quervain, von der Universität Zürich, und seine Kollegen erneut nach (Nature Neuroscience, vom April 2000). Sie ließen ihre 36-köpfige Versuchsgruppe in einem bestimmten Zeitraum 60 Verben auswendig lernen und fragten sie zuerst unmittelbar nach der Lernphase und dann nochmals 24 Stunden später ab. Dazu verabreichten sie einem Teil der Probanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten 25 Milligramm Cortison, das vom Körper sehr schnell zu Cortisol umgewandelt wird. Die Forscher konnten – im Vergleich zur Cortison-freien Testgruppe – keine Verschlechterung des Erinnerungsvermögens bei den Versuchsteilnehmern feststellen, denen das Präparat eine Stunde vor oder unmittelbar nach der Lernphase verabreicht wurde. Sie bewerten den Befund als einen Hinweis dafür, dass Cortisol gar keinen Einfluss auf die Erinnerungsleistung hat.
Anders verhielt es sich dann bei der Abfrage nach 24 Stunden. Diejenigen Probanden, die eine Stunde vor dem Test das Cortison schlucken mussten, konnten sich anschließend im Schnitt nur noch an 11 Wörter erinnern. Die Placebo-Gruppe wusste noch 17 Verben – immerhin ein Unterschied von 35 Prozent. Für die Forscher steht damit fest: Das Stresshormon beeinflusst nicht die frischen Verschaltungen im Gehirn, sondern die älteren, vermeintlich robusteren Neuronen-Cluster. In der nächsten Zeit wollen De Quervain und seine Kollegen untersuchen, in wieweit dauerhaft erhöhte Cortisolmengen, wie im Falle chronischer Depressionen, das Erinnerungsvermögen beeinflussen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 20.1.2000
Leiden Rowdys an biochemischem Mangel?
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 29.11.1999
Gedächtnis-Entstehung erstmals fotografiert
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 23.6.1999
Streß legt das Gedächtnis lahm
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 14.1.1999
Wie verläßlich sind Erinnerungen
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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