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News: Streßmanagement auf Art der Zelle

Auch Zellen können in Streß geraten. Jetzt wurde untersucht, auf welche Weise sie es unter ungünstigen Bedingungen vermeiden, in einem chronisch gestreßten Zustand zu verbleiben. Wissenschaftler fanden ein Molekül, das als Reaktion auf Streß gebildet wird und in der Lage ist, bei Dauerbelastung die eigene Produktion zu hemmen. So spielt es eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Streßreaktion und könnte auch Einfluß auf den Zelltod haben.
Zellen erzeugen als Reaktion auf Streß, der durch Hitze, Gifte oder Signale von Nerven oder Hormonen verursacht wird, Hitzeschockproteine (HSPs). Diese Proteine werden auch molekulare Chaperone ("Anstandsdamen") genannt, weil sie andere Proteinmoleküle schützen und in der Zelle "herumführen". Sogar im nicht-gestreßten Zustand sind geringere Mengen an Chaperonen wichtig, um neu produzierte Proteine davor zu schützen zusammenzuklumpen oder auseinanderzubrechen, bevor sie sich in ihre korrekte Form falten können, oder damit sie durch interne Membranen in die Zellkompatimente gelangen, in denen sie gebraucht werden.

"Chaperone spielen eine wesentliche Rolle bei der Regulierung des Proteingleichgewichtes, der Balance zwischen Synthese und Abbau", erklärt Richard I. Morimoto, Professor für Biologie an der Northwestern University und Direktor des Rice Institute for Biomedical Research. "Wenn man die Zelle Streß aussetzt – egal ob durch Hitze oder durch Sauerstoff, wie dies bei Infektionen, Immunität, myocardialem Streß oder neurodegenerativer Krankheit geschieht –, reagiert sie mit der Bildung zusätzlicher Chaperone, um ihre lebenswichtigen Proteine zu schützen", sagte er.

Doch die Menge an Chaperonen stellt einen kritischen Faktor für die Zelle dar, denn zuviele dieser Moleküle können schädlich sein. Während sie andere Proteine schützen, hindern sie diese daran, ihre Funktionen auszuführen. "Werden zuviele Chaperone hergestellt, dann gelangt die Zelle nie mehr zurück in ihren normalen Zustand", meinte Morimoto. "Anhaltende Streßbelastung führt zum Zelltod. Deshalb ist die Menge an Chaperonen entscheidend für die Balance von Überleben und Tod einer Zelle."

Schon früher wurde festgestellt, daß die Zelle nur kurzfristig hohe Konzentrationen an Chaperonen produziert, auch wenn stressige Bedingungen andauern. Diese selbstbegrenzende Reaktion deutet auf einen Rückkopplungsmechanismus hin, in dem Chaperone die Abschaltung ihrer eigenen Produktion bewirken.

Morimoto und seine Mitarbeiter konzentrierten sich auf ein besonderes Protein, den Hitzeschockfaktor, der auf die entsprechenden Gene für Chaperone so einwirkt, daß während eines Streßzustandes eine größere Menge Proteine hergestellt wird. Anfang dieses Jahres konnte im Reagenzglas gezeigt werden, daß bestimmte Chaperon-Proteine sich an den Hitzeschockfaktor binden und ihn regulieren können. Auf diese Weise entsteht ein molekularer Rückkopplungsmechanismus zur präzisen Kontrolle der Konzentration an Chaperonen, die als Reaktion auf Streß erzeugt wurden.

Jetzt fanden die Wissenschaftler im Zellkern ein weiteres Signalmolekül mit Namen HSBP-1: den ersten bekannten "Aus-Knopf" für die Chaperon-Produktion. HSBP-1 bindet an das Chaperon und an den Hitzeschockfaktor. So wird der Faktor an der Aktivierung der Chaperon-codierenden Gene gehindert (Genes & Development, Ausgabe vom Juli 1998).

"Dies ist das erste Mal, daß wir außer Chaperonen ein weiteres Regulator-Molekül identifiziert haben, welches die Reaktion auf einen Hitzeschock steuert", sagte Morimoto. Nach seiner Meinung könnte das neue Molekül die Verschlechterung der zellulären Gesundheit erklären, die mit zunehmendem Alter auftritt: "Wenn Zellen altern, funktioniert die Hitzeschockreaktion nicht mehr richtig – gerade dann, wenn sie am effektivsten sein müßte. Dieses Molekül könnte der Grund dafür sein. Es arbeitet zusammen mit den Chaperonen, um festzustellen, was los ist und schaltet dann die Reaktion ab."

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