Meeresforschung: Tauchen in die Twilight Zone
Sie beherbergt einen Großteil der Meeresfisch-Biomasse und trägt dazu bei, jährlich schätzungsweise vier Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Jetzt bereiten sich Wissenschaftler darauf vor, in die Twilight Zone (»Dämmerungszone«) einzutauchen. In die weitgehend unerforschte Meeresschicht in 200 bis 1000 Meter Tiefe also, die von einem sich ändernden Klima und der Fischerei bedroht ist.
Im April wird die NASA in den Nordatlantik reisen, um die Bewegung von Kohlenstoff zwischen der Atmosphäre und dem tiefen Ozean zu untersuchen. 25 Millionen Dollar kostet die Mission. Andere werden sich an der Expedition beteiligen, dank eines Gemeinschaftsprojekts, das Mitte Februar auf dem Ozean-Wissenschaftstreffen der American Geophysical Union in San Diego, Kalifornien, vorgestellt wurde.
»Dies ist buchstäblich die größte Investition, die jemals in der Twilight Zone getätigt wurde«, sagt Dave Siegel, ein Ozeanograf an der University of California, Santa Barbara. Er leitet die NASA-Mission, namens Export Processes in the Ocean from Remote Sensing, kurz EXPORTS. Das Netzwerk soll den Datenaustausch und die Koordination mit anderen Forschungsanstrengungen auf der ganzen Welt verstärken. »Wenn wir uns verbünden können, können wir uns gegenseitig helfen.«
Die Tiefen ausloten
Die Dämmerungszone beginnt dort, wo die Fotosynthese versagt, und reicht bis zu dem Punkt, an dem das Licht ganz ausbleibt. Hier sind zahllose Lebewesen von Kotkügelchen und toten Organismen abhängig, die von oben herabfallen – typischerweise Meeresschnee genannt. Winzige Grasfresser steigen ebenfalls jede Nacht in den oberen Ozean auf, um zu jagen, was die größte Tierwanderung auf der Erde darstellt. Größere Raubtiere, wie Wale und Haie, suchen häufig in diesem Bereich nach Nahrung, und auch der Mensch hat zunehmend ein Auge auf die Fülle der Tiere. Die kommerzielle Fischerei in Norwegen und anderen Ländern hat bereits begonnen, Krill zu ernten, der bevorzugt in der Dämmerungszone lebt.
Einige Wissenschaftler befürchten, dass die Ausbeutung dieses weitgehend unerschlossenen Eiweißvorrats in Zukunft auf Grund der steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln zunehmen wird. Das könnte sich auf das marine Nahrungsnetz und letztlich auf das Klima auswirken, sagt Philip Boyd, ein Meeresökologe an der University of Tasmania in Hobart, Australien, der ein Projekt leitet, das untersucht, wie viel Kohlenstoff in den Abgrund des Südlichen Ozeans fällt.
Der Ozean leiste der Menschheit einen entscheidenden Dienst, indem er der Atmosphäre Kohlenstoff entzieht, und das hänge davon ab, was in der Dämmerungszone geschieht, sagt Ken Buesseler, ein Meeresradiochemiker an der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) in Massachusetts. »So einfach ist es«, sagt er, »aber es ist nicht leicht zu messen.«
Bereits 2018 war das EXPORTS-Projekt mit einer Expedition in den Nordpazifik gestartet. Die NASA hat der Forschung in der Dämmerungszone mit ihrer Investition nun einen großen Schub gegeben. Niedrige Eisenkonzentrationen in dieser Region des Ozeans schränken das Blühen des fotosynthetischen Phytoplanktons ein, und vorläufige Ergebnisse zeigen, dass dort weniger Kohlenstoff in die Tiefe des Ozeans gelangt. Die bevorstehende Expedition wird in der Nähe der Britischen Inseln in einer nährstoffreichen Region stattfinden, in der große Phytoplanktonteppiche häufig vorkommen. Hier werden die Forscher eine Blüte untersuchen, während sie sich mit der Meeresströmung bewegt, wobei sie die Bewegung der Nährstoffe durch die Wassersäule mit Schwimmern und Sedimentfallen verfolgen. Parallel dazu werden die Wissenschaftler mit Hilfe von Satelliten aus dem Weltraum herabblicken.
Ein Teil des durch Phytoplankton aus der Atmosphäre gezogenen Kohlenstoffs wird von Mikroben und Weidegängern wiederverwertet und dann wieder in Kohlendioxid umgewandelt. Aber ein weiterer Teil – vielleicht zehn Prozent im weltweiten Durchschnitt – sinkt durch die Dämmerungszone und in die Tiefsee, wo er für Jahrhunderte sicher liegen könnte. Wenn Wissenschaftler verstehen, wie diese »biologische Kohlenstoffpumpe« funktioniert, können sie berechnen, wie die Ozeane und der Planet auf die steigenden Treibhausgaswerte reagieren werden, sagt Siegel.
»Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für große Beobachtungskampagnen«
Zu den beiden Booten der NASA kommt ein drittes hinzu, das von der WHOI betrieben wird, die eine eigene, 35 Millionen US-Dollar teure Mission zur Erforschung des Lebens in der Twilight Zone durchführt. Dieses Projekt wird von der gemeinnützigen TED und philanthropischen Organisationen finanziert. Forscher aus anderen Ländern, darunter Australien und Großbritannien, werden sich beteiligen und ihre Geräte zur gleichen Zeit wie die anderen Projekte testen, was in Zukunft erleichtern dürfte, die Ergebnisse zu vergleichen.
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