Neozoen: Tierisch viel Erfolg
Ein Kessel Buntes: Kanadagänse in Düsseldorf, Waschbären in Kassel und europäische Stare in New York. Die Fauna deutscher und amerikanischer Städte ist längst ebenso vielfältig wie die Herkunft ihrer Menschen. Gibt es allerdings auch bei Tieren ein Muster der Völkerwanderungen?
Eugene Schieffelin hatte es nur gut gemeint, als er 1865 im New Yorker Central-Park europäische Stare (Sturnus vulgaris) aussetzte. Denn der Leiter einer so genannten Akklimatisierungsgesellschaft – deren Ziel die Einbürgerung europäischer Arten war – wollte doch nur alle Vögel der Shakespeare'schen Dramenwelt auch in Amerika um sich haben. Sturnus vulgaris war sein größter Erfolg: Heute im 21. Jahrhundert gelten diese Andenken an das alte Europa als gefiederte Pest, die Ernteschäden verursachen und einheimischen Arten ans Federkleid wollen – als Konkurrenten um Wohnraum und Nahrungsquellen.
Stare und Waschbären sind nur zwei von vielen Wirbeltierarten, die seit der Entdeckung Amerikas durch die Europäer zwischen beiden Kontinenten ausgetauscht wurden. Doch trotz gegenteiliger Beispiele galt die Einführung und Ausbreitung exotischer Spezies bislang weit gehend als Einbahnstraße, auf der die Europäer in aller Welt reüssieren, während etwa die nordamerikanische Tierwelt hierzulande kaum Fuß fassen kann. Die Durchsetzungskraft der Europäer erschien so stark, dass einzelne Wissenschaftler sogar von "ökologischem Imperialismus" sprachen, dem alle anderen Faunen kaum etwas entgegenzusetzen hätten.
Ist dem aber wirklich so? Und wie hoch ist überhaupt die tierische Erfolgsquote tatsächlich? Diesen Fragen gingen die beiden Wissenschaftler Jonathan Jeschke und David Strayer vom amerikanischen Institut für Ökosystemforschungen in Millbrook nach: Sie untersuchten das umfangreiche statistische Material zu den jeweils von 1500 bis 2000 auf beiden Kontinenten eingeführten Fisch-, Vogel- und Säugetierarten – etwa den Zeitpunkt ihres Erstauftritts, die Verlierer, die ergebnislos wieder verschwanden, und die Erfolgreichen, die heute je nach Ansicht die Umwelt Amerikas oder Europas bereichern oder beeinträchtigen.
Insgesamt werteten die beiden Forscher die Daten von 139 Spezies konkret aus – mit überraschenden Ergebnissen. So sind Wirbeltiere im Gegensatz zu Pflanzen etwa ungleich erfolgreicher bei der Eroberung fremder Kontinente: Für sie gilt die Zehn-Prozent-Regel nicht, nach der sich nur zehn von hundert eingeschleppten Pflanzenarten erfolgreich ansiedeln und eine von diesen zehn zur Plage wird.
Und auch auf der ursprünglichen Einbahnstraße ist mittlerweile Gegenverkehr aufgekommen, mehr noch scheinen sich die Verhältnisse inzwischen umzukehren. So wurden während des 15. und 16. Jahrhunderts vor allem viele Säugetiere nach Nordamerika verschleppt, gefolgt von den Vögeln zwischen 1700 und 1900. Sie sollten den zumeist aus Europa stammenden Auswanderern ein Gefühl von Vertrautheit in der fremden Umgebung geben und zeichnen in ihrer Gesamtheit ein Bild der Immigrantenströme der damaligen Zeit nach. Nur die Fische kamen später: Vor allem Angler und unbeabsichtigte Freisetzungen durch Ballastwasser brachten sie erst im 20. Jahrhundert über den Atlantik.
Aus Amerika flatterten dagegen erst im 19. Jahrhundert einige Vögel nach Europa: etwa Wassergeflügel zur Zierde englischer Parks oder Zusatzbeute für die Flinten Adeliger. Amerikanische Säugetiere erreichten zwar nur selten, dafür umso erfolgreicher Europa, wie den immer wieder aufkommenden Klagen über Bisam, Waschbär oder Nerz zu entnehmen ist. Und schließlich kamen noch in großer Zahl die Fische hinzu. Seit dem Ersten Weltkrieg dominieren nun im Gesamten die Tiere der Neuen Welt den transatlantischen Faunenaustausch.
Die Gründe für diesen Wandel sind relativ klar: Der Zustrom von amerikanischen Touristen, Ökonomen oder auch Mitbürgern – und ihrer Haustiere – nach Europa erhöhte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts stark, während die Zahl der Auswanderer nach Amerika sank. Ebenso erließen Kanada und die USA scharfe Regelungen zur Eindämmung der Einfuhr nicht heimischer Tier- und auch Pflanzenarten, während in Europa dazu noch eine relativ entspannte Laissez-faire-Meinung vorherrscht: Schon wurden erste – mitunter beißwütige – Alligator-Schnappschildkröten (Chelydra serpentina) aus Florida in heimischen Baggerseen entdeckt.
Auch der hessische Tierzüchter Rolf Haag trug sich mit besten Absichten, als er den amerikanischen Waschbären (Procyon lotor) ins Deutsche Reich brachte und 1934 als Jagdanreiz am Edersee bei Kassel aussetzte. Der Kleinbär ließ sich jedoch ganz und gar nicht für diese Zwecke vereinnahmen, sondern machte sich an die Eroberung Europas. Und nun trägt Kassel den inoffiziellen Titel der Waschbären-Kapitale der Nation – zum Leidwesen ihrer menschlichen Mitbürger.
Stare und Waschbären sind nur zwei von vielen Wirbeltierarten, die seit der Entdeckung Amerikas durch die Europäer zwischen beiden Kontinenten ausgetauscht wurden. Doch trotz gegenteiliger Beispiele galt die Einführung und Ausbreitung exotischer Spezies bislang weit gehend als Einbahnstraße, auf der die Europäer in aller Welt reüssieren, während etwa die nordamerikanische Tierwelt hierzulande kaum Fuß fassen kann. Die Durchsetzungskraft der Europäer erschien so stark, dass einzelne Wissenschaftler sogar von "ökologischem Imperialismus" sprachen, dem alle anderen Faunen kaum etwas entgegenzusetzen hätten.
Ist dem aber wirklich so? Und wie hoch ist überhaupt die tierische Erfolgsquote tatsächlich? Diesen Fragen gingen die beiden Wissenschaftler Jonathan Jeschke und David Strayer vom amerikanischen Institut für Ökosystemforschungen in Millbrook nach: Sie untersuchten das umfangreiche statistische Material zu den jeweils von 1500 bis 2000 auf beiden Kontinenten eingeführten Fisch-, Vogel- und Säugetierarten – etwa den Zeitpunkt ihres Erstauftritts, die Verlierer, die ergebnislos wieder verschwanden, und die Erfolgreichen, die heute je nach Ansicht die Umwelt Amerikas oder Europas bereichern oder beeinträchtigen.
Insgesamt werteten die beiden Forscher die Daten von 139 Spezies konkret aus – mit überraschenden Ergebnissen. So sind Wirbeltiere im Gegensatz zu Pflanzen etwa ungleich erfolgreicher bei der Eroberung fremder Kontinente: Für sie gilt die Zehn-Prozent-Regel nicht, nach der sich nur zehn von hundert eingeschleppten Pflanzenarten erfolgreich ansiedeln und eine von diesen zehn zur Plage wird.
Dagegen etabliert sich jede zweite Wirbeltierart, die ihre Reise über den Ozean antritt, auch in der allenfalls anfänglich unbekannten Ferne. Und von diesen Neusiedlern werden wiederum fünfzig Prozent zu Konquistadoren, die von ihrem Brückenkopf ausgehend Zug um Zug die neue Heimat kolonisieren und mitunter zum Problem werden wie Haussperlinge und Ratten in Amerika oder Nerze und Ochsenfrösche in Europa. Der genaue Grund für die hohe Erfolgsquote ist den Wissenschaftlern allerdings noch unbekannt: Erste Vermutungen ziehen etwa die jeweilige Einbindung in Nahrungsnetze oder die Herkunftsquelle der Spezies als tierischen Vorteil ins Kalkül.
Und auch auf der ursprünglichen Einbahnstraße ist mittlerweile Gegenverkehr aufgekommen, mehr noch scheinen sich die Verhältnisse inzwischen umzukehren. So wurden während des 15. und 16. Jahrhunderts vor allem viele Säugetiere nach Nordamerika verschleppt, gefolgt von den Vögeln zwischen 1700 und 1900. Sie sollten den zumeist aus Europa stammenden Auswanderern ein Gefühl von Vertrautheit in der fremden Umgebung geben und zeichnen in ihrer Gesamtheit ein Bild der Immigrantenströme der damaligen Zeit nach. Nur die Fische kamen später: Vor allem Angler und unbeabsichtigte Freisetzungen durch Ballastwasser brachten sie erst im 20. Jahrhundert über den Atlantik.
Aus Amerika flatterten dagegen erst im 19. Jahrhundert einige Vögel nach Europa: etwa Wassergeflügel zur Zierde englischer Parks oder Zusatzbeute für die Flinten Adeliger. Amerikanische Säugetiere erreichten zwar nur selten, dafür umso erfolgreicher Europa, wie den immer wieder aufkommenden Klagen über Bisam, Waschbär oder Nerz zu entnehmen ist. Und schließlich kamen noch in großer Zahl die Fische hinzu. Seit dem Ersten Weltkrieg dominieren nun im Gesamten die Tiere der Neuen Welt den transatlantischen Faunenaustausch.
Die Gründe für diesen Wandel sind relativ klar: Der Zustrom von amerikanischen Touristen, Ökonomen oder auch Mitbürgern – und ihrer Haustiere – nach Europa erhöhte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts stark, während die Zahl der Auswanderer nach Amerika sank. Ebenso erließen Kanada und die USA scharfe Regelungen zur Eindämmung der Einfuhr nicht heimischer Tier- und auch Pflanzenarten, während in Europa dazu noch eine relativ entspannte Laissez-faire-Meinung vorherrscht: Schon wurden erste – mitunter beißwütige – Alligator-Schnappschildkröten (Chelydra serpentina) aus Florida in heimischen Baggerseen entdeckt.
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