News: Unendliche Weiten...
Die Wissenschaftler gehen mehrheitlich davon aus, daß unser Universum dafür nicht schwer genug ist. Schon frühere Beobachtungen, die alle bekannten Objekte im Weltall erfaßten, deuteten darauf hin, daß wir in einem „offenen” Universum leben, das für alle Zeiten wachsen wird. Doch es könnte sein, daß die fehlende Masse als „dunkle Materie” vorhanden ist. Diese Materie absorbiert kein Licht und strahlt auch keines ab, besitzt aber durchaus Masse und wirkt damit gravitatorisch anziehend. Obwohl die Astronomen nicht wissen, woraus die dunkle Materie besteht, gehen sie davon aus, daß sie in großen Mengen im Weltall vorhanden ist. Aufgrund ihrer Eigenschaften entzieht sich die dunkle Materie den meisten Beobachtungsmethoden.
Ein Forscherteam unter der Leitung von Matthias Bartelmann vom Max-Planck-Institut für Astrophysik hat deshalb einen anderen Ansatz gewählt. Sie verglichen die Anzahl sogenannter „Graviationslinsen” am Himmel mit deren Häufigkeit in Modellrechnungen und stellten fest, daß die Gesamtmasse des Universums einschließlich der dunklen Materie nicht ausreicht, um die Expansion zu stoppen (Astronomy and Astrophysics).
Gravitationslinsen entstehen, wenn sich zwischen einem leuchtenden Objekt und dem Beobachter auf der Erde eine extreme Massenkonzentration – ein Galaxienhaufen oder ein schwarzes Loch – befindet. Das Bild des Objektes wird durch die Schwerkraft so verzerrt, daß es nicht mehr wie ein Punkt oder ein kleiner Kreis aussieht, sondern wie ein Lichtbogen. „Damit dieser Effekt auftritt, muß der Cluster – also die Gravitationslinse – ungefähr auf halber Strecke zwischen uns und der Quelle sein”, erklärt Bartelmann. Galaxienhaufen entstehen während der gesamten Lebensdauer des Universums, wobei die Bildungsgeschwindigkeit von der durchschnittlichen Materiedichte abhängt. Damit ist ihre wirkliche Verteilung und Anzahl ein geeigneter Indikator für die Massedichte des Universums.
Bartelsmann und seine Kollegen Andreas Huss und Jörg Colberg vom Max-Planck-Institut sowie Adrian Jenkins und Frazer Pearce von University of Durham simulierten die Clusterentwicklung mit zwei Computermodellen. Die Programme berücksichtigten verschiedene Annahmen über die durchschnittliche Massedichte und die „kosmologische Konstante”, eine hypothetische Energie, die ebenfalls die Ausbreitung des Raumes beeinflußt. Die Wissenschaftler ließen die Simulationen so lange laufen, bis sie den heutigen Zeitpunkt der Entwicklung erreicht hatten. Dann berechneten sie, wieviele Gravitationslinsen von der Erde aus zu detektieren sein sollten.
Das Ergebnis der Anstrengungen war eindeutig: Um die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Gravitationslinsen zu bilden, ist nur ein Drittel der Masse notwendig, die genügen würde, um die Expansion zu stoppen (für eine sehr kleine oder gar keine kosmologische Konstante). Mit anderen Worten: Das Universum ist so leicht, daß es sich ewig weiter ausdehnen wird. Bartelmann räumt ein, daß die Simulation etwas ungenau ist, da niemand weiß, wie gleichmäßig die Materie im frischgeborenen Universum verteilt war. Doch Neil Turok von der Cambridge University meint: „Diese Arbeit könnte der stärkste einzelne Hinweis für ein offenes Universum sein – sofern er einer Überprüfung stand hält.”
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