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News: Ungewöhnlich metallisch

Der Theorie nach sollten sich die Elektronen sehr dünner Metall-Schichten so gar nicht metallisch verhalten. Da sie es zuweilen doch tun, gerät nun die Theorie der Metalle an sich ins Wanken, wie Physiker meinen.
Es sind die Elektronen, die einem Metall seine gute elektrische Leitfähigkeit verleihen. Denn völlig losgelöst von ihren Atomrümpfen bewegen sich die äußersten Elektronen fast ungehindert durch den Kristall – vor allem bei niedrigen Temperaturen. Lediglich Streuprozesse an Fehlern im Kristallgitter bewirken, dass der Widerstand am absoluten Nullpunkt nicht ganz verschwindet.

Das jedoch geschieht bei Supraleitern: Während diese Stoffe bei hohen Temperaturen metallische Leitfähigkeit zeigen, verschwindet der Widerstand unterhalb einer für das Material charakteristischen Sprungtemperatur gänzlich. Nun sind es im Grunde nicht mehr Elektronen, die für Leitfähigkeit sorgen, sondern Elektronenpärchen oder Cooper-Paare. Während Solo-Elektronen als so genannte Fermionen Paulis Ausschlussprinzip gehorchen müssen, nachdem sich nicht zwei Teilchen im gleichen Zustand befinden dürfen, gelten für das Doppelpack mehr Freiheiten: Denn als Bosonen gehorchen Cooper-Paare einer anderen Statistik, die sehr wohl erlaubt, dass sich die Teilchen im selben Zustand befinden – im Extremfall kondensieren sogar alle Paare im selben Zustand, verhalten sich so wie ein einziges Teilchen und sorgen so für den supraleitenden Zustand.

"Wie Musiker in einer Marschkapelle bewegen sich Bosonen im Supraleiter alle im Gleichschritt miteinander – sie nehmen alle dieselbe Phase ein", beschreibt Philip Phillips, seines Zeichens Physiker an der University of Illinois at Urbana-Champaign, das Phänomen. Aber auch Bosonen sind gewissen quantenmechanischen Prinzipien unterworfen, und so besagt eines, dass die Teilchen entweder in einem supraleitenden Zustand kondensieren oder einen Isolator bilden. Alles oder nichts, könnte man meinen. Oder nach Phillips Beispiel: "Wenn die Bosonen aus dem gemeinsamen Takt ausscheren, ist das Resultat ein Isolator."

So weit bislang die Theorie. Doch in den letzten Jahren brachte eine Reihe von Experimenten eine andere Wahrheit ans Licht, die, wie Phillips meint, die gängige Theorie der Metalle ins Wanken bringen. So haben Forscher in Stanford und an der University of Minnesota versucht, Dünnfilm-Supraleitern durch schrumpfende Schichtdicke oder senkrecht angelegte Magnetfelder die Supraleitung auszutreiben und so zum Isolator zu machen. "Aber bei diesen Experimenten gab es große Bereiche, in denen der Widerstand weder Null noch unendlich war – dieser zeigte vielmehr einen endlichen Wert, der anscheinend bis zum absoluten Nullpunkt erhalten blieb. Und wenn man einen endlichen Widerstand bei null Kelvin misst, dann handelt es sich um ein Metall", schließt Phillips.

Der Wissenschaftler hat zusammen mit Denis Dalidovich, einem Physiker der Florida State University in Tallahassee, die Experimente der Kollegen sorgfältig analysiert. Und die beiden Forscher glauben eine Erklärung für die unerwartete metallische Übergangsphase zwischen Supraleiter und Isolator gefunden zu haben: Die Bosonen kondensieren in einen glasartigen Zustand. Wobei glasartig einen dynamischen, ungeordneten Zustand meint. Wie kann man sich das vorstellen?

Phillips bringt dazu wieder das Beispiel mit der Blaskapelle: Die Musiker müssen gerade eine lange Steigung erklimmen. Einige ermüden dabei schneller als andere und fallen zurück. Doch während die Gruppe als Ganzes auf diese Weise aus dem Tritt und Rhythmus kommt, wird es stets lokal Bereiche geben, in denen die Musiker sich immer noch im Gleichtakt befinden. Genauso darf man sich offenbar das seltsame Bose-Metall vorstellen. "Auch wenn man die Phasen im Supraleiter zerstört, landet man nicht zwangsläufig beim Isolator. Stattdessen entsteht ein dynamisches System, in dem die Phasen einer lokalen Ordnung unterliegen, während im Großen und Ganzen Unordnung herrscht."

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