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News: Unsichtbare Massen

Wenn man doch nur etwas mehr über die Masse von Schwarzen Löchern wüsste. Zwar gibt es Methoden zu ihrer Abschätzung, doch beruhen sie auf empirischen Zusammenhängen in nahe gelegenen Galaxien. Der Vergleich dieser Methoden zeigte indes eine erstaunliche Übereinstimmung der Ergebnisse. Und die passten wiederum zu den Resultaten numerischer Modellierungen. Das Gute an diesen Methoden ist, dass sie auch auf Sternensysteme in großer Entfernung anwendbar sind. Aus den 38 bisher bekannten Schwarzen Löchern könnten somit bald Tausende werden.
Kein Phänomen des Universums ist so geheimnisvoll wie die Schwarzen Löcher. Sie sind die unsichtbaren Grabstätten erloschener Sterne. Unsichtbar, weil die Masse jenes Sterns so groß war, dass sie die sterblichen Überreste des Kerns auf unvorstellbar kleinem Raum zusammen schrumpften ließ. Selbst Licht kann diesen gigantischen Anziehungskräften nicht mehr entfliehen und wird verschluckt. Aus diesem Grund entziehen sich Schwarze Löcher auch jeder direkten Beobachtung. Dennoch bleibt ihre Existenz nicht unbemerkt, denn sie beeinflussen die Bahnen und Geschwindigkeiten anderer, sie umkreisende Sterne. Auf diese Weise haben die Astronomen im Universum bis heute 38 Schwarze Löcher nachweisen können.

Allein 19 davon entdeckten Karl Gebhardt und John Kormendy vom Department of Astronomy der University of Texas in Austin. Ihr bevorzugtes Objekt der Forschung sind Quasare, extrem helle Objekte, von denen man glaubt, dass sich in ihrem Zentrum ein aktives Schwarzes Loch befindet. Sie gelten als Nukleus neuer Galaxien, denn auch in deren Zentrum findet sich häufig ein Schwarzes Loch. Bei der optischen Abbildung erscheinen Quasare wie überdimensionale Sterne – ihr Name leitet sich deshalb von "quasi stellar" ab. Dieses Leuchten entsteht im Umfeld des Schwarzen Loches. Hier geraten Sterne und Gasmassen in das Gravitationsfeld und setzen Energien frei, die 100-mal größer sein können, als die bei allen möglichen thermonuklearen Reaktionen.

Welche Kräfte einen Quasar in seinem Inneren antreiben und wie aus ihm einmal eine Galaxis wird, ist noch rätselhaft. Gerade das Wachstum der Schwarzen Löcher reizt die Forscher und mit dem Hubble Space Telescope verfügen sie über ein exzellentes Werkzeug mit extrem hoher räumlicher Auflösung. Allerdings reichen die Instrumente der Sonde nur bis zu den nächst gelegenen Schwarzen Löchern. Immerhin konnten Astronomen aus der alleinigen Beobachtung der Sternenbahnen ableiten, dass die Masse einer Galaxie von der Größe des Schwarzen Lochs in ihrem Zentrum abhängt. Doch die Quasare sind viel zu weit entfernt, um diesen Zusammenhang direkt zu prüfen. Hier gibt es nur zwei Methoden, der Masse des Schwarzen Lochs auf die Spur zu kommen.

Bei der einen werden die Strahlungseigenschaften der Quasare kartiert. Die umgebenden Gaswolken reagieren nämlich auf die unterschiedliche freigesetzte Energie der Schwarzen Löcher. Sie werden heller oder dunkler. Und da sich Lichtwellen mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortbewegen, sieht der Beobachter diese Schwankungen im äußeren Bereich der Gaswolken zu einem späteren Zeitpunkt als die Änderungen der Lichtintensität im Zentrum. Aus dieser Zeitverzögerung, und zusammen mit der Geschwindigkeit der Gaswolken lassen sich Angaben über die Masse des Schwarzen Loches machen. Eine endgültige Bestätigung für diese Theorie gibt es allerdings nicht, und da viele Eigenschaften der Gaswolken ungewiss sind, kann es nur bei einer Abschätzung bleiben.

Die Photoionisations-Modelle sind noch spekulativer, denn sie beruhen allein auf einem empirischen Zusammenhang. Demnach hängt die Strahlung einer Gaswolke von ihrer Entfernung zum Mittelpunkt des Quasars ab. Die Gründe dafür liegen völlig im Dunkeln. Wenn dem jedoch so ist, so können die Astronomen allein mithilfe der so abgeschätzten Entfernung der Gaswolke und deren Geschwindigkeit die Masse des Schwarzen Loches bestimmen.

Gebhardt und Kormendy mussten diese Methoden also verifizieren. Was in der Ferne gelten soll, musste ja auch in den gut untersuchten Regionen im Blickfeld des Hubble-Teleskops stimmen. Hier kann man die durch die immense Gravitation beeinflussten Sternenbahnen ja direkt beobachten und so auf die Masse der Schwarzen Löcher schließen. Wo sonst konnten sie ihre Methoden für die Erforschung ferner Quasare also besser überprüfen, als hier (20th Texas Symposium on Relativistic Astrophysics vom 10. bis 15. Dezember 2000).

Und tatsächlich kamen sie zu einem verblüffenden Ergebnis. Ihre Ergebnisse stimmten perfekt mit den Daten des Hubble-Teleskops überein. In beiden Fällen kamen Gebhardt und Kormendy zu dem gleichen Zusammenhang zwischen den Massen des Schwarzen Lochs und der umgebenden Galaxie. Darüber hinaus passten diese Ergebnisse auch zu theoretisch berechneten Massen aus numerischen Modellierungen. Ihnen gelang somit die Kalibrierung zweier, auf Quasare angewandte Methoden an gut beobachtbaren Schwarzen Löchern. Dies könnte die Erforschung Schwarzer Löcher revolutionieren, denn nun ist man möglicherweise nicht mehr auf die nahe gelegenen Studienobjekte beschränkt. Zu den 38 derzeit bekannten Galaxien mit ihren Licht schluckenden Zentren könnten sich alsbald Tausende von neuen gesellen.

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