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News: Unterm Mistelzweig

Damals vor langer Zeit, als die Erde vom Schritt der mächtigen Saurier erbebte und die Lüfte vom Geschrei der Flugdrachen erfüllt war, lebte im Gondwanaland eine kleine mistelartige Pflanze in den Zweigen der Bäume. Und wie alle Misteln hoch oben im Geäst hatte sie das Problem, ihre Samen auf andere Bäume zu verbreiten. In jener Zeit, als die Vögel noch mit ersten Flugübungen beschäftigt waren, half ihr dabei ein kleines, pelziges Beuteltier. Und das war der Beginn einer langen und wunderbaren Freundschaft.
Die Pflanzenfamilie der Loranthaceen, zu der auch unsere einheimische Mistel gehört, existierte schon in der mittleren Kreidezeit. Alle Misteln leben als schmarotzende Halbparasiten auf Bäumen. Sie beziehen von ihrem Wirt nur Wasser und die darin gelösten Nährstoffe, betreiben aber noch selbst Photosynthese. Normalerweise werden sie von Vögeln verbreitet, welche die klebrigen Samen von einem Baum zum nächsten transportieren. Zu einer wirkungsvollen Verbreitung der Mistelsamen gehört aber nicht nur die Aufnahme und der Transport der Samen, sondern auch ihre Ablage auf einem lebenden Zweig der richtigen Baumart. Deswegen hat sich zwischen Misteln und Vögeln eine mutualistische Beziehung gebildet, das heißt beide Arten profitieren wechselseitig voneinander.

Guillermo Amico und Marcelo Aizen von der Universidad National del Comahue haben jetzt eine interessante mutualistische Beziehung entdeckt, als sie das Ausbreitungsverhalten der Mistelart Tristerix procumbens in einem Südbuchen-Wald in Argentinien aufklärten (Nature vom 21. Dezember 2000). Sie wollten wissen, ob Singvögel, chilenische Klettermäuse (Irenomys tarsalis) oder Colocolos (Dromiciops australis), ein südamerikanisches Beuteltier, die Früchte dieser Pflanze verzehren und was anschließend mit den Samen geschieht.

Wie die Forscher entdeckten, verschmähen die Singvögel und die Mäuse die Tristerix-Früchte, stattdessen werden sie von den Colocolos gefressen. Bei einem Fütterungsversuch verputzten die kleinen Beuteltiere alle angebotenen Früchte. Später fanden die Wissenschaftler im Kot dieser Tiere 98 Prozent der Samen unbeschädigt und keimfähig wieder. Die Passage durch den Darm ist für die Mistelsamen sogar zwingend notwendig, denn nur dann kann sich die Haftscheibe am Samen entwickeln. Diese sorgt dafür, dass der Mistelsamen an der Baumrinde haften bleibt und auskeimen kann. Aber auch das Verhalten der Colocolos begünstigt die Ausbreitung der Misteln: Die Tiere legen ihren Kot ordentlich auf lebenden Ästen und Zweigen ab, und nur 10 Prozent der Samen fallen auf den Boden.

Während die Vögel schätzungsweise erst vor 25 Millionen Jahren diese mutualistische Beziehung entwickelt haben, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Vorfahren des Colocolo schon vor 70 Millionen Jahren Mistelsamen verbreiteten – der Beginn jener langen und wunderbaren Freundschaft, die bis heute andauert.

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