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News: Ursprung in Afrika

Irgendwann gab es irgendwo einen gemeinsamen Vorfahren von Maus und Mensch. Noch früher gingen aus einer Abstammungslinie sowohl die Urahnen von Elefanten als auch von Fledermäusen hervor. Wann und wo das geschah, ist sehr umstritten. Eine alte statistische Methode liefert nun neue Stammbäume. Ob sie die Debatte beenden, ist zweifelhaft. Nur eines ist klar: Der Ursprung liegt in Afrika.
Die Abstammungsgeschichte der Säugetiere bereitet Forschern noch immer Kopfzerbrechen. Wann und wo sind sie entstanden? Wie haben sie sich danach aufgespalten? Und wer ist nun der älteste beziehungsweise der jüngste Vertreter? Die Antworten auf diese Fragen unterscheiden sich je nach bearbeitetem Datensatz und verwendeter Methode. Ein einheitlicher Stammbaum scheint jedenfalls noch in weiter Ferne zu liegen.

Auch William Murphy und Eduardo Eizirik vom National Cancer Institute wollen mit ihren Kollegen nun einen Beitrag zur Diskussion leisten. Sie griffen dafür auf eine statistische Methode aus dem 18. Jahrhundert zurück – die Bayes'sche Inferenz. Während die meisten gängigen Verfahren die Ähnlichkeit oder Distanz zwischen Daten vergleichen und daraus den am besten passenden Stammbaum errechnen, fließt bei der Bayes'schen Inferenz das Urteil des Bearbeiters mit ein, indem er beispielsweise ihm unmöglich erscheinende Kombinationen von vorneherein ausschließen kann. Das vermindert ganz entscheidend den Rechenaufwand und ermöglicht es so, auch große Datenmengen zu analysieren – ein Problem, an dem andere Verfahren häufig scheitern.

Murphy und Eizirik konnten so Basensequenzen von 42 Säugetierlinien sowie zwei Beuteltierlinien analysieren. Den Ergebnissen zufolge lassen sich die Säugetiere vier Gruppen zuordnen. Die ursprünglichste Einheit bilden die Afrotheria, zu denen unter anderem die Elefanten, Seekühe und Rüsselspringer gehören. Ihre Wurzeln – und damit der Ursprung aller Säugetiere – liegen in Afrika. Als nächste Gruppe gliedern die Forscher die Xenarthra oder Nebengelenktiere aus, zu denen Ameisenbären und Faultiere zählen. Sie entstanden offenbar in Südamerika. Die letzten beiden Einheiten – die Laurasiatheria und die Euarchontoglires – fassen die Wissenschaftler zur Gruppe der Boreoeutheria zusammen. Die Euarchontoglires reichen von den Mäusen und anderen Nagern über die Hasenartigen (Lagomorpha), Pelzflatterer (Dermoptera) und Spitzhörnchenartige (Scandentia) bis zu den Menschen und seinen Verwandten (Primaten).

Auf reichlich Widerspruch dürfte die zeitliche Einordnung der Aufspaltungen im Stammbaum führen. So sollen Afrotheria und der Vorfahre von Xenarthra und den Boreoeutheria schon vor etwa 103 Millionen Jahren eigene Wege gegangen sein – pünktlich zu dem Zeitpunkt, an dem der Südkontinent Gondwana zerbrach und sich der südliche Atlantik zu öffnen begann. Das allerdings wäre 35 Millionen Jahre früher, als die meisten Wissenschaftler bisher annehmen: Sie rechnen mit der Entfaltung der Säugetiere nach dem Untergang der Dinosaurier Ende der Kreidezeit.

Die Nebengelenktiere und die restlichen Säugetiere spalteten sich sodann relativ kurz später auf, vor 88 bis 100 Millionen Jahren. Da die Boreoeutheria aber Fossilienfunden zufolge ihren Ursprung auf der Nordhemisphäre haben, müssen sich die Begründer irgendwann in der späten Kreidezeit von Südamerika auf den Weg nach Norden gemacht haben.

Wie erwartet, ernten die Vorschläge nicht nur Zustimmung. "Was sie über die höheren Ebenen der Verwandtschaftsverhältnisse schreiben, hört sich ausgesprochen vernünftig an", meint Philip Gingerich von der University of Michigan. "Was sie aber andererseits über die zeitliche Einordnung der Entfaltung der Säugetiere berichten, klingt absolut unsinnig." Denn der fossile Nachweis erzählt seiner Ansicht nach eine völlig andere Geschichte.

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