Biologie: Vegetarischer Achtbeiner
In den Akazien von Mexiko kämpft eine Spinnenart täglich mit Ameisen, um an Futter zu kommen. Doch nicht die Insekten stehen auf ihrem Speiseplan, sondern deren Ernte.
Fleischfresser haben einen wichtigen Vorteil: Ihre Nahrung ist reich an Energie und Nährstoffen, so dass sie nur gelegentlich Beute machen müssen. Andererseits ist ihr Futter ständig begrenzt, muss anstrengend erjagt werden oder wehrt sich sogar, während die Mahlzeiten von Pflanzenfressern buchstäblich auf Bäumen wachsen. Wann immer Nahrung knapp war, entschieden sich daher häufig einzelne Arten dazu, von Fleisch zu Rohkost zu wechseln, während der umgekehrte Fall in der Geschichte des Lebens fast nie vorkam. Beispielhaft hierfür ist die Geschichte der Säugetiere, die nach gängigen Theorien zuerst vorwiegend kleine Insektenfresser waren. Heute haben es viele von ihnen nur noch auf Gras, Blätter oder Früchte abgesehen. Auch zahlreiche Vögel und Reptilien änderten ihre Ernährung im Vergleich zu ihren frühen, räuberischen Vorfahren.
Spinnentiere sahen sich dagegen offenbar noch nie gezwungen, ihren Speiseplan zu erweitern. Seit ihrem gemeinsamen Urahn, der vor mehr als 400 Millionen Jahren als krebsartiges Meerestier lebte, entwickelten sie über 100 000 bekannte Arten, von denen alle räuberisch oder parasitär leben – das dachten Forscher zumindest bisher. Die kleine Springspinne Bagheera kiplingi aus Südamerika zeigt sich als Ausnahme von dieser Regel. Ihren Namen erhielt die Art im Jahr 1896 nach dem Panter Bagheera aus dem zwei Jahre zuvor erschienenen "Dschungelbuch" und nach dessen Autor Rudyard Kipling. Erst jetzt stießen jedoch Biologen um Christopher Meehan von der Villanova University in Philadelphia auf die ungewöhnliche Ernährung dieser Spezies.
Geschickte Schmarotzer
Diese beltschen Körperchen hat B. kiplingi ebenfalls als Futter für sich entdeckt. Das bemerkten Chris Meehan und Eric Olson unabhängig voneinander in Mexiko und Costa Rica. Sie verfolgten daraufhin einzelne Exemplare mit hochauflösenden Kameras und stellten fest, dass die Pflanzenteile mehr als 90 Prozent der Spinnenmahlzeiten ausmachten. Auch am Nektar der Bäume bedienten sich die Tiere gelegentlich, und nur bei sehr günstigen Gelegenheiten fraßen sie auch Ameisenlarven – etwa wenn diese gerade von einer vereinzelt laufenden Arbeiterin getragen wurden.
Spinnentiere sahen sich dagegen offenbar noch nie gezwungen, ihren Speiseplan zu erweitern. Seit ihrem gemeinsamen Urahn, der vor mehr als 400 Millionen Jahren als krebsartiges Meerestier lebte, entwickelten sie über 100 000 bekannte Arten, von denen alle räuberisch oder parasitär leben – das dachten Forscher zumindest bisher. Die kleine Springspinne Bagheera kiplingi aus Südamerika zeigt sich als Ausnahme von dieser Regel. Ihren Namen erhielt die Art im Jahr 1896 nach dem Panter Bagheera aus dem zwei Jahre zuvor erschienenen "Dschungelbuch" und nach dessen Autor Rudyard Kipling. Erst jetzt stießen jedoch Biologen um Christopher Meehan von der Villanova University in Philadelphia auf die ungewöhnliche Ernährung dieser Spezies.
Geschickte Schmarotzer
Die nur wenige Millimeter großen Spinnen leben ausschließlich auf Akazien, die eine Symbiose mit Pseudomyrme-Ameisen eingehen. Der Insektenstaat beschützt den Baum vor Fressfeinden wie Raupen und darf im Gegenzug dessen Riesendornen aushöhlen und in ihnen leben. Auch Nahrung stellt die Pflanze zur Verfügung: Zucker in Form von Blattnektar; Fett und Eiweiß durch kleine Futterkörperchen an den Zweigen.
Diese beltschen Körperchen hat B. kiplingi ebenfalls als Futter für sich entdeckt. Das bemerkten Chris Meehan und Eric Olson unabhängig voneinander in Mexiko und Costa Rica. Sie verfolgten daraufhin einzelne Exemplare mit hochauflösenden Kameras und stellten fest, dass die Pflanzenteile mehr als 90 Prozent der Spinnenmahlzeiten ausmachten. Auch am Nektar der Bäume bedienten sich die Tiere gelegentlich, und nur bei sehr günstigen Gelegenheiten fraßen sie auch Ameisenlarven – etwa wenn diese gerade von einer vereinzelt laufenden Arbeiterin getragen wurden.
Doch obwohl sie ihrem Futter nicht länger auflauern müssen, führen die Achtbeiner kein ruhiges Leben, denn sie müssen sich stets vor den Patrouillen der Ameisensoldaten in Acht nehmen. Wie alle Springspinnen sind sie zu ihrem Glück sehr agil und besitzen ein Paar großer, nach vorne gerichteter Augen, mit denen sie dreidimensional und scharf sehen können. So weichen sie den überwiegend auf festen Pfaden laufenden Staateninsekten geschickt aus. In die Enge getrieben seilen sie sich außerdem schnell an Seidenfäden ab, um von einem Zweig zu entkommen. Zu Konfrontationen kommt es einzig, wenn eine Ameise das Nest einer Spinne entdeckt. Damit dies möglichst selten vorkommt, nisten die Weibchen deshalb auf abgelegenen, älteren Blättern, die nicht länger bewacht werden.
Lutschen statt Fressen
Angesichts ihres angepassten Verhaltens leben die Springspinnen wahrscheinlich schon lange als Untermieter der Akazien-Ameisen-Gemeinschaft. Dagegen scheint ihr Wandel zu Allesfressern noch recht neu zu sein, denn nur in einem Teil Mexikos bilden Futterkörper ihre Hauptnahrung. Für B. kiplingi in Costa Rica dagegen sind die Pflanzenteile lediglich ein Zubrot zur Jagd. Sehr wahrscheinlich verspeisten die Tiere ursprünglich nur Ameisenlarven und kamen erst später auf den Geschmack der in Größe und Form ähnlichen beltschen Körperchen.
Dass sie die faserigen Knötchen überhaupt fressen und verdauen können, ist jedoch erstaunlich, denn Spinnen nehmen für gewöhnlich nur flüssige Nahrung auf und besitzen in ihrer Speiseröhre kammartige Filter, die dies sicherstellen. Die Beute wird dazu vor der Mundöffnung zwischen den bezahnten Kieferklauen zerrieben und mit Verdauungssäften durchtränkt, die das Gewebe auflösen – so verfährt B. kiplingi auch mit den Futterkörpern. Dabei können die Spinnen jedoch offenbar auch die Pflanzenfasern auflösen oder stark zerkleinern, denn innerhalb weniger Minuten bleibt nichts von ihren Mahlzeiten zurück. Dies wäre eine enorme Leistung, denn die Fasern bestehen aus Zellulose, einem sehr stabilen Zucker, den große Tiere nur mit Hilfe spezieller Bakterien langsam zersetzen können. Wie genau sich das Verdauungssystem der Tiere angepasst hat, wollen Meehan und seine Kollegen in Zukunft untersuchen.
Ihre stark auf Insektenbeute angepasste Verdauung war es vermutlich, die Spinnen lange den evolutionären Weg zu Pflanzenfutter versperrte. Daher brauchte es ein ebenso angepasstes Angebot, um diese Blockade zu durchbrechen. Sollte B. kiplingi tatsächlich Zellulosefasern auflösen können, so wäre es gut möglich, dass sie sich in dieser ökologischen Nische weiterentwickelt. Dann gäbe es in entfernter Zukunft vielleicht sogar echte, reine Vegetarier unter den Achtbeinern.
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