Evolution: Vereint getrennt
Einst eins, können Lebensgemeinschaften sich gründlich auseinander entwickeln und sogar neue Arten bilden, wenn ihnen geografische Hindernisse die Nachbarschaft zerschneiden. Weit umstrittener ist die Ansicht, dass dies gelegentlich auch in trauter Gemeinsamkeit abläuft. Pazifische Palmen und mittelamerikanische Buntbarsche stärken den Anhängern der These den Rücken.
Sie ist Stammgast in und vor vielen Häusern weltweit: die Kentia-Palme. Kaum jemand würde wohl vermuten, dass der heutige Kosmopolit nur eine winzige Heimat hat – die Lord-Howe-Insel, ein Eiland von knapp zwölf Quadratkilometern etwa 580 Kilometer vor der Ostküste Australiens. Vor 6,9 Millionen Jahren entstanden, ist sie der südlichste Vertreter einer unterirdischen Vulkankette, die sich über tausend Kilometer erstreckt. Der nächste Nachbar, das Elizabeth-Riff, liegt 160 Kilometer nördlich und war noch vor 10,2 Millionen Jahren eine Insel. Auch von der Lord-Howe-Insel wird einst nichts mehr über Wasser zu sehen sein: Die Erosion nagt derart gründlich an dem Landfleck, dass Kartografen ihn in 200 000 Jahren von der Karte werden radieren müssen.
Die etwa 300 ständigen Einwohner dieser paradiesischen Fleckchens leben in einem Weltnaturerbe der Unesco. Regen- und Palmwälder bedecken große Flächen der Insel, von den 241 Pflanzenarten sind über hundert nur dort anzutreffen, und auch die Tierwelt ist höchst einzigartig. Eine wahre Fundgrube und Studierstube für Evolutionsforscher.
Denn hier bietet sich ihnen die Möglichkeit, eine heftig umstrittene These zu überprüfen: Können neue Arten entstehen, wenn es keinerlei Barrieren gibt, die eine gemeinsame Fortpflanzung verhindern? Solche Hindernisse müssen nicht Berge und Meere sein, schon manche Unterschiede in den ökologischen Verhältnissen des jeweilig bewohnten Gebietes könnten zum Auslöser eigenständiger Wege werden. So hatte sich bei vergangenen Beispielen solcher sympatrischer Speziation – also Artbildung bei sich überschneidendem Verbreitungsgebiet – doch häufig irgendeine Form von Grenze finden lassen.
Da die Art aber durchaus vulkanische Böden und damit die enge Nachbarschaft mit ihrer Schwester nicht verachtet, halten die Forscher die Eroberung des kalkgründigen Lebensraums für den entscheidenden Trennungsgrund. Den allerdings gibt es erst seit Mitte des Pleistozäns, was gut zu den genetischen Trennungsdaten passt. Die Entzerrung der männlichen und weiblichen Blühzeiten entwickelte sich womöglich als physiologische Reaktion auf die neuen Standortverhältnisse und dürfte die erste Entfremdung nachhaltig unterstützt haben, folgern Savolainen und seine Kollegen. Da die Kentia-Palme aber die gemeinsame saurere Heimat ihrer engsten Verwandten nicht komplett hinter sich gelassen habe, sei ganz klar: Dies ist ein Fall der so selten sicher zu belegenden sympatrischen Speziation.
Und vielleicht stießen die Forscher bei ihrer Arbeit sogar auf ein weiteres Beispiel: In einem anderen Kratersee entdeckten sie ebenfalls etwas langgestrecktere Buntbarsche, die gleichfalls das Freiwasser bevorzugen. Noch allerdings fehlen die umfangreichen Daten zur Genetik, Morphologie und ökologischen Ansprüchen, um eine sympatrische Artbildung zu belegen. Auch hier könnte aber die neue Lebensraumdimension – das offene, tiefe Wasser der Krater, das den sonst eher flachen Seen der Region fehlt – die Differenzierung in getrennte Arten gefördert haben. Ein Fall, bei dem sich das Nachsehen lohnen dürfte. Wobei die Lord-Howe-Insel natürlich auch ein nettes Reiseziel ist.
Die etwa 300 ständigen Einwohner dieser paradiesischen Fleckchens leben in einem Weltnaturerbe der Unesco. Regen- und Palmwälder bedecken große Flächen der Insel, von den 241 Pflanzenarten sind über hundert nur dort anzutreffen, und auch die Tierwelt ist höchst einzigartig. Eine wahre Fundgrube und Studierstube für Evolutionsforscher.
Denn hier bietet sich ihnen die Möglichkeit, eine heftig umstrittene These zu überprüfen: Können neue Arten entstehen, wenn es keinerlei Barrieren gibt, die eine gemeinsame Fortpflanzung verhindern? Solche Hindernisse müssen nicht Berge und Meere sein, schon manche Unterschiede in den ökologischen Verhältnissen des jeweilig bewohnten Gebietes könnten zum Auslöser eigenständiger Wege werden. So hatte sich bei vergangenen Beispielen solcher sympatrischer Speziation – also Artbildung bei sich überschneidendem Verbreitungsgebiet – doch häufig irgendeine Form von Grenze finden lassen.
Und damit zurück zur Kentia-Palme, wissenschaftlich auch als Howea forsteriana bekannt: Sie teilt die zwölf Quadratkilometer ihrer Heimat mit einer Schwester, der Curly-Palme (Howea belmoreana). Beide Arten stehen durchaus direkt nebeneinander, aber gemeinsame Nachkommen gibt es höchst selten – und über deren Fortpflanzungserfolg ist gar nichts bekannt. Demnach handelt es sich offenbar um zwei sauber getrennte, eigenständige Arten.
Das allerdings sind sie noch nicht lang. Wie Vincent Savolainen von Kew Gardens und seine Kollegen mittels Gen-Analysen herausfanden, trennten sich die Wege der beiden frühestens vor zwei, womöglich aber sogar erst vor einer Million Jahre [1]. Und das, obwohl sie sich nicht nur den Lebensraum, sondern auch die Blühsaison teilen. Zwar beginnt die Kentia-Palme etwa sechs Wochen früher damit als ihre Schwester, doch gibt es eine zeitliche Überlappung. Während bei der Curly-Palme männliche und weibliche Blütenteile gleichzeitig heranreifen, entwickeln die einzelnen Kentia-Palmen-Individuen den Pollen zwei Wochen, bevor sie selbst befruchtet werden können – aber nur wenn sie auf dem von ihnen bevorzugten kalkigen Untergrund stehen.
Da die Art aber durchaus vulkanische Böden und damit die enge Nachbarschaft mit ihrer Schwester nicht verachtet, halten die Forscher die Eroberung des kalkgründigen Lebensraums für den entscheidenden Trennungsgrund. Den allerdings gibt es erst seit Mitte des Pleistozäns, was gut zu den genetischen Trennungsdaten passt. Die Entzerrung der männlichen und weiblichen Blühzeiten entwickelte sich womöglich als physiologische Reaktion auf die neuen Standortverhältnisse und dürfte die erste Entfremdung nachhaltig unterstützt haben, folgern Savolainen und seine Kollegen. Da die Kentia-Palme aber die gemeinsame saurere Heimat ihrer engsten Verwandten nicht komplett hinter sich gelassen habe, sei ganz klar: Dies ist ein Fall der so selten sicher zu belegenden sympatrischen Speziation.
Einen ebensolchen präsentieren Marta Barluenga, Kai Stölting und Walter Salzburger von der Universität Konstanz von einer Insel ganz anderer Art: dem nicaraguanischen Kratersee Apoyo. Vor etwa 23 000 Jahren entstanden, beherbergt der kleine See von fünf Kilometern Durchmesser nur eine magere Tierwelt. Darunter aber zwei Buntbarsche, deren afrikanische Verwandte schon lange als Paradebeispiel bei Artbildungsfragen herangezogen werden. Einer davon, der Zitronenbarsch (Amphilophus citrinellus), ist in der Gegend durchaus verbreitet. Der andere jedoch, der Pfeilbuntbarsch (A. zaliosus), fristet sein Dasein allein im Apoyo-See. Wo kam er her? Oder war er gar erst im See entstanden?
Wieder brachten genetische Untersuchungen Klarheit: A. zaliosus ist ein echtes Kind seiner Heimat – abstammend A. citrinellus, dem einzigen Einwanderer dieser Buntbarschgruppe, der den See je eroberte [2]. Quasi Vater und Sohn, pflanzen sich die beiden Arten nicht mehr miteinander fort, wie Laborversuche zeigten. Und obwohl noch Seite an Seite in einem kaum differenzierten Raum lebend, hat sich der Jüngere sein eigenes Reich eingerichtet: Während der Zitronenbarsch eher in Ufernähe am Boden gründelt, bevorzugt der Pfeilbuntbarsch die tieferen Freiwasserzonen. Etwas anders gestaltete Kiefer und der gestrecktere Körperbau machen ihm diese Nische behaglich, ohne dass eine wirklich strikte Grenze zu Vaters bevorzugten Gefilden bestünde.
Und vielleicht stießen die Forscher bei ihrer Arbeit sogar auf ein weiteres Beispiel: In einem anderen Kratersee entdeckten sie ebenfalls etwas langgestrecktere Buntbarsche, die gleichfalls das Freiwasser bevorzugen. Noch allerdings fehlen die umfangreichen Daten zur Genetik, Morphologie und ökologischen Ansprüchen, um eine sympatrische Artbildung zu belegen. Auch hier könnte aber die neue Lebensraumdimension – das offene, tiefe Wasser der Krater, das den sonst eher flachen Seen der Region fehlt – die Differenzierung in getrennte Arten gefördert haben. Ein Fall, bei dem sich das Nachsehen lohnen dürfte. Wobei die Lord-Howe-Insel natürlich auch ein nettes Reiseziel ist.
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