News: Vermittler im Aufruhr
Multiorganversagen und Infektionen stellen laut Statistik die häufigste Todesursache der unter 45jahrigen dar. Gerade nach schweren Unfällen und Operationen droht auch nach der erfolgreichen Versorgung der akuten Gefahren während der folgenden Tage der kombinierte Ausfall verschiedener Organsysteme durch bakterielle Entzündungen oder posttraumatische Gewebeprozesse. Auf dem vom 29. Februar bis zum 4. März 2000 in München stattfindenden Kongress 'Trauma, Schock, Inflammation und Sepsis' erörtern Experten auch den Einfluss von Hormonen auf die körpereigene Abwehr.
Am Anfang der dramatischen Entwicklung steht meist ein Unfall oder eine größere Operation – ein so genanntes Trauma: Verliert der Patient dabei viel Blut, werden die Organe nur unzureichend versorgt und auflaufende, giftige Abfallprodukte strapazieren die Gewebe zusätzlich. Der so entstehende Schock legt dann wichtige Organe, wie etwa Leber und Nieren, lahm – mit tödlichen Folgen. Auch wenn der Betroffene gut versorgt wird und die ersten Stunden nach einem Trauma übersteht, bleibt er in den kommenden Tagen hoch gefährdet: Das geschwächte Immunsystem ist anfällig für Keime, Entzündungen und Blutvergiftungen, die so genannte Sepsis, bedrohen den Organismus. Das Verständnis des komplexen Zusammenwirkens der verschiedenen Regelkreise, die das Immunsystem steuern, steht im Mittelpunkt des in München tagenden 5th World Congress on Trauma, Shock, Inflammation and Sepsis, der dazu am Dienstag dem 29. Februar 2000 auf einer Pressekonferenz neue Forschungsergebnisse präsentierte. So beeinflusst etwa das Geschlecht die Prognose von Traumata: Männer sterben häufiger als Frauen an den Folgen von Unfällen und großen Eingriffen, weil ihr Immunsystem weniger stabil ist und sich langsamer regeneriert. "Tierexperimente konnten eindeutig zeigen, dass die Geschlechtshormone massiv in die Regulation des Immunsystems eingreifen", erläutert Eugen Faist, Leiter des Kongresses und Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität München. So sei das männliche Sexualhormon Testosteron eindeutig immununterdrückend. Überdies blieben Blutgefäße unter dem Einfluss des weiblichen Hormons Östrogen deutlich elastischer – damit sei die Gefahr von Arteriosklerose geringer, und im Falle einer Erkrankung bedeute dies auch eine bessere Blutversorgung in angegriffenen Geweben – der Körper erhole sich nach einem Schock einfach besser. Auch die Erkennung der Verfassung des Immunsystems nach drastischen Einwirkungen auf den Körper habe deutliche Fortschritte gemacht. So dauert heute die Messung des Immun-Botenstoffes Interleukin-6, eines wichtigen Indikators für die Abwehrbereitschaft, nur noch 50 Minuten – Bislang erfuhren die Ärzte diesen Parameter erst nach sechs Stunden. Moderne Nährlösungen erhalten die Darmfunktion auch bei komatösen Patienten aufrecht und hindern die dort angesiedelten Bakterien an dem Eindringen in die Blutbahn. Auch Hormone setzen die Mediziner gezielt ein: Spezielle Botenstoffe, die nach einem Trauma nicht mehr ausreichend vorhanden sind, regen das Zellwachstum an und fördern so die Heilung. Allerdings gebe es keine Patentrezepte gegen Schock und Traumafolgen, resümieren die Forscher. Bis das Immunsystem seine Natur und Funktion im Detail offenbare, werde es noch lange dauern.
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