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News: Verpackungsmaschine

Motoren gibt es nicht erst seit der Erfindung der Dampfmaschine. Auch hier war die Natur mal wieder schneller. Die Bewegungsmaschinerie unserer Muskulatur ist das bekannteste Beispiel für einen biologischen Motor, etwas exotischer erscheinen die wie ein Propeller funktionierenden Bakteriengeißeln. Jetzt haben Biologen einen dritten natürlichen Motortyp entdeckt: Die DNA-Verpackungsmaschine von Bakteriophagen.
Auch Bakterien können krank werden. Ihre Krankheitserreger heißen BakteriophagenViren, die sich auf eine bestimmte Bakterienart spezialisiert haben. Dabei besitzt ein Phage nur das Allernötigste: einen DNA-Strang mit der Bauanleitung, verpackt in einer Proteinhülle. Dieses Gebilde führt jedoch ein wahres Piratenleben. Trifft es auf sein Opfer – ein Bakterium –, dann heftet es sich an dessen Zellwand an und injiziert seine DNA in die Zelle hinein. Hier programmiert das Phagengenom den gesamten Bakterienstoffwechsel um, sodass die eroberte Zelle jetzt nur noch neue Phagen produziert, schließlich platzt und so die frisch gebauten Viren frei lässt, die sich dann auf neue Opfer stürzen.

Der Bakteriophage, der es auf Bacillus subtilis abgesehen hat, hört auf den Namen Phi29. Seine DNA steckt in einem 54 Nanometer langen und 45 Nanometer breiten Kopf. Daran sitzt ein kurzes Schwanzstück, über das der Phage seine DNA in das Bakterium hineinspritzt. Bei der Neusynthese baut die eroberte Bacillus-Zelle zunächst Kopf und Schwanz zusammen und fügt dann die Phagen-DNA hinein. Doch wie gelangt der verhältnismäßig lange DNA-Faden in den kleinen Kopf?

Diese Frage stellte sich Michael Rossmann vom Department of Biological Sciences der Purdue University. Zusammen mit anderen Wissenschaftler nahm er mit röntgenkristallographischen und kryo-elektronenmikroskopischen Methoden die genaue Struktur des Phagen unter die Lupe, um so das Verpackungsgeheimnis zu lüften.

Dabei entdeckten sie, dass das zylindrische Schwanzstück des Virus wie ein Motor funktioniert (Nature vom 7. Dezember 2000). Am Ende des aus zwölf Proteinuntereinheiten zusammengesetzten Zylinders bilden fünf RNA-ATPase-Komplexe das Herzstück der winzigen Maschine. Diese Enzyme können durch die Spaltung von Adenosintriphospat (ATP) – dem universellen biologischen Energieüberträger – chemische in mechanische Energie umwandeln. Der DNA-Strang sitzt wie eine Spindel in dem Zylinder, wobei jeweils eine Base der DNA an eine Proteinuntereinheit bindet. Daran hängt wiederum ein RNA-ATPase-Komplex, der ATP spaltet, wodurch sich die Konformation der Proteinuntereinheit leicht verändert. Dadurch wird die Base an die nächste Untereinheit mit einer fünftel Umdrehung "weitergereicht". Hier wartet der nächste RNA-ATPase-Komplex, der wiederum – gefüttert durch ATP – die DNA ein weiteres Stück dreht. So schraubt sich der DNA-Faden nach und nach durch den Zylinder (Quicktime-Videoanimation, 2,6 MB). "Die Schönheit des Phi29-Motors liegt darin, dass ein relativ einfaches System den Mechanismus der DNA-Verpackung ermöglicht", erklärt Dwight Anderson von der University of Minnesota, der an dem Projekt mitgearbeitet hat. "Der Motor verpackt eine DNA, die 130-mal länger als die Virushülle ist, in nur drei Minuten."

Bisher kannten die Biologen nur zwei Typen von natürlichen Antriebsmaschinen: Der lineare Motor der Muskelkontraktion und der Drehmotor der Bakteriengeißel. Ein Drehmotor, der direkt eine Spindel bewegt, war unbekannt. "Der Phi29-Verpackungsmotor repräsentiert eine dritte Klasse", schließen die Autoren, "bei dem eine Drehbewegung in eine Translationsbewegung umgewandelt wird."

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