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Extremleben: Viren als Nahrung

Viren sind winzig klein. Dennoch gibt es offensichtlich Lebewesen, die ihren Energiebedarf über die Erreger decken könnten.
Bakterien und Viren

Viren bestehen aus nichts mehr als DNA oder RNA und bisweilen einer umschließenden Proteinkapsel oder Biomembran. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass an ihnen wenig dran ist. Dennoch existieren in den Meeren offensichtlich Lebewesen, die sich von diesem Etwas zu ernähren scheinen. Das schließen Julia Brown vom Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in East Boothbay und ihr Team aus ihren Studien im Mittelmeer und Golf von Maine. In den »Frontiers in Microbiology« beschreiben sie ozeanische Einzeller, die sehr wahrscheinlich Viren zu sich nehmen und ihren Energiehaushalt damit decken.

Die von ihnen analysierten Choanoflagellaten und Picozoa wären damit die ersten Organismen, die als Fressfeinde von Viren auftreten, diese aktiv verwerten und nicht nur als Nebenprodukt der Nahrungsaufnahme vertilgen. Für ihre Studie sequenzierten Brown und Co die DNA von rund 1700 unterschiedlichen Protisten, die sie aus dem Meerwasser filterten. Neben der Bestimmung der Arten ging es auch darum, was diese fressen. Die Biologen wiesen daher auch große Mengen an Bakterienerbgut sowie deren Viren nach.

Erstaunlicherweise fanden sich in den beiden Gruppen der Choanoflagellaten (Kragengeißeltierchen) und Picozoa nur Viren-, aber keinerlei Bakterien-DNA. Beifang Bakterien infizierender Viren schied daher aus; zudem besitzen die nur drei Mikrometer großen Picozoa derart kleine Fressapparate, dass sogar Bakterien dafür zu groß sind. Infiziert waren die Einzeller jedoch auch nicht, denn in ihnen fanden sich nach bisherigen Erkenntnissen vor allem Bakterien befallende Viren. Die Einzeller dienen somit höchstwahrscheinlich auch nicht als Wirte, sondern haben sich die Erreger als Nahrungsquelle erschlossen.

»Viren besitzen relativ viel Phosphor und Stickstoff und dienen daher den Protisten als gute Ergänzung ihrer kohlenstoffreichen Nahrung aus organischen Kolloiden oder kleinen Zellen«, sagt Brown. Welche Konsequenzen dieser Virenfraß für das Ökosystem hat, ist allerdings ebenso ungeklärt wie der Einfluss dieser Viren auf das Erbgut der Einzeller. Das sollen Folgestudien klären helfen.

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