West-Nil-Virus: Wärme bahnt Tropenseuche den Weg nach Deutschland
2018 ist ein gutes Jahr für das West-Nil-Virus – in neun EU-Ländern infizierte der eigentlich auf Vögel spezialisierte Erreger Menschen, mehr als dreimal so viele Fälle wie im letzten Jahr vermelden die Behörden. 60 Infizierte starben bisher in Südeuropa. Aber nicht nur die vielen Opfer zeichnen die Saison 2018 aus, sondern auch die Verbreitung des Virus: Erstmals tauchte das West-Nil-Virus, das zur gleichen Familie wie Dengue und Gelbfieber gehört, in Deutschland auf. Vermutlich begünstigte das warme Wetter im Frühjahr sowohl die Verbreitung der Mücken wie ihre Fähigkeit, den Erreger zu übertragen. Das West-Nil-Virus verbreitet sich deutlich besser bei höheren Temperaturen. Betroffen waren bisher nur Vögel. Drei an der Seuche gestorbene Tiere identifizierte das für Tierseuchen zuständige Friedrich-Loeffler-Institut; zwei in Sachsen-Anhalt und eines in Bayern. Derzeit versuchen Fachleute herauszufinden, wie das Virus nach Deutschland kam.
Der Mensch ist für das West-Nil-Virus ein Fehlwirt – das heißt eine Sackgasse für den Erreger. Deswegen infizieren sich Menschen vor allem entlang der Routen von Zugvögeln, wo sich Mücken, Menschen, Vögel und Viren treffen. Allerdings verursachen zwei verwandte Viren sehr wohl Ausbrüche beim Menschen: Dengue und Chikungunya. Diese beiden gefährlichen Tropenkrankheiten werden, anders als das West-Nil-Virus, nicht von einheimischen Mücken übertragen, sondern von der Asiatischen Tigermücke – die sich derzeit schnell in Deutschland ausbreitet. Für alle drei Viren galt bisher: Deutschland ist zu kalt, so dass die Mücken die Erreger nicht effektiv auf Menschen übertragen können.
Deswegen ist das Auftreten des West-Nil-Virus ein deutliches Warnzeichen: Die Temperaturbarriere, die diese Krankheiten bisher eindämmt, bröckelt. Die steigenden Temperaturen in Deutschland sind nicht mehr nur Statistik, sondern haben reale Konsequenzen. 10 der 15 wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen fanden im 21. Jahrhundert statt, und tropische Krankheitserreger nutzen die besseren Bedingungen. Das West-Nil-Virus ist dabei wohl nur die Vorhut.
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