Direkt zum Inhalt

News: Wanderwege für Mäuse

Genetische Untersuchungen haben es jetzt bewiesen: Der Waldmaus ist das offene Feld suspekt. Anstatt die große Liebe im Nachbarwäldchen zu suchen, bleibt sie lieber zu Haus. Die Rotrückige Wühlmaus, die ausschließlich im dichten Wald lebt, neigt daher in stark vom Menschen geprägten Landschaften zur Inzucht.
Tiere, die früher ein Teil ein riesiges Waldgebiet bewohnten, müssen heute mit kleinen Waldresten vorlieb nehmen. Doch selbst wenn ihnen diese für das tägliche Leben ausreichen, kann das Überleben der gesamten Population bedroht sein: Sobald die kleine Mäusefamilie nicht mehr mit ihren Nachbarn in Kontakt treten kann, besteht die Gefahr der Inzucht. Außerdem ist sie stärker durch Futtermangel oder andere Launen der Natur gefährdet als eine große Gruppe.

Biologen, die die wissenschaftlichen Grundlagen für einen sinnvollen Naturschutz liefern, empfehlen daher, eine Art Wanderweg für Tiere durch die ausgeräumte Landschaft zu schaffen beziehungsweise vorhandene zu erhalten. Diese so genannten Korridore ermöglichen es den Tieren, zwischen den verbleibenden Teillebensräumen zu wechseln. Dass sie dies tun, ist duch Versuche mit markierten Mäusen seit langem bekannt – doch paaren sich die Daheimgebliebenen auch mit den Zugereisten?

Stephen Mech und James Hallet von der Washington State University in Pullman analysierten die Gene einer Gruppe Rotrückiger Wühlmäuse (Clethrionomys gapperi). Diese Verwandte der Rötelmaus sind an ein Leben in dichten Wäldern angepasst und meiden lichtere Waldstücke oder gar das offene Feld. Im Nordosten des Bundesstaates Washington leben sie in Wäldern, die – wie der Großteil des Nordwestens der USA – heute nur noch ein Flickenteppich aus geschlossenen Waldstücken, Kahlschlag- und Aufforstungsflächen ist.

Die Wissenschaftler untersuchten den Verwandtschaftsgrad – und somit den Genaustausch – der dort vorkommenden Wühlmauspopulationen. Dafür verglichen sie jeweils zwei Gruppen, die entweder in einem durchgehenden Waldstück lebten oder sich durch einen Korridor besuchen konnten oder aber durch einen Kahlschlag bezeihungsweise eine Aufforstung vollständig voneinander isoliert waren. Die Entfernung zwischen den Waldstücken variierte zwischen 500 Metern und einem Kilometer, die Korridore aus dichtem Wald hatten eine Breite von maximal 150 Metern.

Die Ergebnisse bestätigten die Vermutungen: Die durch dichten Wald verbundenen Wühlmaus-Populationen standen sich genetisch näher als die durch Korridore verbundenen; diese wiederum glichen sich mehr als die durch Kahlschläge voneinander isolierten Gruppen. Bei anderen Mäusearten, die problemlos in allen drei Biotoptypen leben können, war die genetische Ähnlichkeit der Populationen dagegen unabhängig vom Zustand des Waldes.

Während sich die anspruchslosen Mäusearten duch Kahlschlagsflächen oder Aufforstungen nicht abschrecken lassen, sind die Rotrückigen Wühlmäuse auf den dichten Wald angewiesen. Bei der Planung der Holzfällarbeiten sollte – und könnte – dies nach Meinung der Wissenschaftler berücksichtigt werden.

Auch wenn das Schicksal der ungeliebten Körnerfreser den Land- und Forstwirt zunächst wenig interessieren wird – das Prinzip "Verinselung gefährdet die Population" gilt für alle Tiere und Pflanzen: Gerade die vom Aussterben bedrohten Arten, die oft ausschließlich in einem Biotoptyp leben, sind in einer stark genutzten und zersiedelten Landschaft gefährdet. Für den Genaustausch – und damit für Schutzmaßnahmen – ist es demnach effektiver, vorhandene Biotope unberührt zu lassen als Ersatzwanderwege zu schaffen, wobei diese immer noch besser sind als gar keine Wanderwege.

  • Quellen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.