Direkt zum Inhalt

News: Wann sind die Grenzen erreicht?

Seit der Entdeckung des Ozonlochs versuchen Wissenschaftler abzuschätzen, welche Bedrohung es für die Ökosysteme und die Lebewesen unseres Planeten mit sich bringt. Eine ganz wichtige betroffene Organismengruppe ist das Phytoplankton - schließlich ist es die Grundlage des gesamten marinen Nahrungsnetzes. Frühere Untersuchungen und Simulationen hatten alarmierende Beeinträchtigungen der Algen ergeben. Neueren Berechnungen zufolge hat sich der Ozonrückgang noch gar nicht so schlimm ausgewirkt, sondern das Plankton kann anscheinend die bisherigen Veränderungen kompensieren. Das bedeutet aber keine Entwarnung, denn niemand weiß, wie belastbar die mikroskopischen Lebewesen sind.
In früheren Untersuchungen hatten Forscher die Phytoplanktonentwicklung in der Nähe des Ozonlochs und anderen Regionen gemessen und daraus ein durchschnittliches Wachstum für den gesamten Ozean berechnet. Die Ergebnisse waren alarmierend: Die schädliche UV-B-Strahlung sollte das Wachstum der Algen um zehn Prozent und mehr verringern.

Doch bei solchen Simulationen stehen Wissenschaftler immer vor dem Problem, welche Parameter sie wie und in welchem Umfang in die Berechnungen einbeziehen. Ein wichtiger Punkt für die Planktonentwicklung ist zum Beispiel die Wolkenbedeckung – ein Faktor, der nur schwer zu integrieren ist. Wie Kevin Arrigo von der Stanford University in Palo Alto erläutert, spielt er aber eine ganz entscheidende Rolle. "An einem wolkigen Tag ist selbst unter einem großen Loch nicht annähernd so viel UV-Strahlung wie an einem klaren Tag ohne Loch", erklärt er. Außerdem liegen 80 Prozent des antarktischen Ozonlochs nicht über dem Meer, sondern über Eis. Also ist nur eine kleine Wasserfläche wirklich von der schädlichen Strahlung betroffen.

Arrigo und seine Mitarbeiter nahmen diese Faktoren in ihre neuen Berechnungen mit auf. Sie speisten ihr Modell mit Daten aus den Jahren 1978 – damals existierte noch kein Ozonloch – und 1992, als es besonders groß war. Weiterhin berücksichtigten sie die Stärke der UV-B-Strahlung, da diese durch die Ausdünnung der Ozonschicht besonders zunimmt. Außerdem simulierten sie das Geschehen für die gesamte Südhalbkugel – in früheren Studien wurden Wachstumsraten meist über Daten von Einzelstandorten hochgerechnet. Die Ergebnisse sind überraschend: Die Produktivität des Phytoplanktons ging 1992, bezogen auf die gesamte Südhalbkugel, nur um ein Prozent zurück (New Scientist vom 19. Februar 2000).

Das schmälert die Befunde der anderen Untersuchungen nicht. Wie Raymond Smith von der University of California in Santa Barbara erklärt, hat das marine Phytoplankton den Einfluss der höheren UV-B-Strahlung toleriert. "Offensichtlich wird die Beeinträchtigung nicht katastrophal sein", meint er. "Wir haben das Ozonloch jetzt seit eineinhalb Jahrzehnten, und das System ist immer noch da."

Die Forscher sehen ihre Ergebnisse aber nicht als Entwarnung. Schließlich ist das Phytoplankton zwar die Grundlage des marinen Ökosystems, aber wie sich das Ozonloch auf die anderen Glieder des Nahrungsnetzes auswirkt, weiß niemand. Und vielleicht wird irgendwann die Grenze überschritten, bis zu der das Phytoplankton ultraviolette Strahlung absorbieren kann. "Bis jetzt hält es noch mit", meint Arrigo. "Aber wenn das Problem größer wird, wer weiß?"

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.