Corona-Massentests: Was bringt ein Riechtest auf Covid-19 wirklich?
Mit Hilfe eines standardisierten Riechtests könnte die Corona-Pandemie eingedämmt werden. Diese These vertreten drei Wissenschaftler von der University of Colorado in Boulder in einer neuen Vorabveröffentlichung, in der sie den Effekt eines solchen Screenings modellieren. Systematische Studien haben gezeigt, dass zwar nur etwa die Hälfte der mit dem Coronavirus Infizierten das Symptom an sich selbst bemerkt, standardisierte Tests jedoch nachweisen, dass etwa 80 Prozent aller positiv getesteten Personen schlechter oder gar nicht mehr riechen können. Damit tritt das Symptom bei viel mehr Infizierten auf als Fieber, das ursprünglich als Merkmal für Screenings im Gespräch war.
Deswegen schlagen Daniel Larremore, Roy Parker und Derek Toomre, der ein Unternehmen für die Herstellung solcher Riechtests gegründet hat, nun vor, solche standardisierten Tests für Screenings und Einlasskontrollen zu verwenden. Sie simulierten diese Strategie für mehrere Szenarien, darunter einmalige Großereignisse, aber auch regelmäßige Tests auf einem College-Campus mit 20 000 Studierenden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der Riechtest das Infektionsrisiko bei Großereignissen um drei Viertel senkt und einen Ausbruch in einer Hochschule sogar effektiver eindämmt als PCR-Tests. Hinter diesem Resultat steht die Erkenntnis, dass bei Massenscreenings der Test weniger genau sein darf, vorausgesetzt er geht schnell und man testet häufig. Außerdem koste der Riechtest nur einen Bruchteil eines PCR-Screenings.
Viele Gesunde können ebenfalls schlechter riechen
Bereits im Juli diskutierten Fachleute die Möglichkeit, standardisierte Riechtests für Reihenuntersuchungen zu verwenden. Im Oktober nutzten Fachleute aus Indien einen von ihnen entwickelten standardisierten Test, um anhand des deutlich verschlechterten Geruchssinns sogar asymptomatische infizierte Personen in einer kleinen Stichprobe zu identifizieren. Allerdings stießen sie dabei auch auf ein Problem, das den Nutzen der Methode für bevölkerungsweite Screenings in Frage stellt. In der Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass etwa 13 Prozent aller Gesunden ebenfalls schlechter Gerüche wahrnehmen.
Dies ist einer der Gründe, weshalb Anfang November Claire Hopkins vom Guy's and St Thomas' Hospital in London und Barry Smith von der University of London solchen Screenings nur einen begrenzten Nutzen attestierten. Zwar sei ein plötzlich schlechter werdender Geruchssinn ein zuverlässiges Zeichen einer Infektion mit Sars-CoV-2, wenn viele Menschen mit dem Virus infiziert sind, schreiben sie. Allerdings raten sie zur Vorsicht bei Screenings mit diesem Verfahren.
Etwa ein Fünftel der Bevölkerung lebe laut Schätzungen mit dauerhaft verschlechtertem Geruchsempfinden, eine Zahl, die sich auch in Covid-19-Symptomstudien widerspiegle, schreiben sie. In Deutschland wären das etwa 16 Millionen Betroffene, allein etwa ein Viertel aller Menschen über 50 Jahre. Derzeit sind nach offiziellen Angaben etwa 300 000 Menschen in Deutschland mit Covid-19 infiziert. Damit kommen auf eine infizierte Person mit verschlechtertem Geruchssinn 50 nicht infizierte.
Außerdem weisen Hopkins und Smith darauf hin, dass der Verlust des Geruchssinns viel länger anhält als die Krankheit selbst. Aus diesen Gründen sei der Verlust des Geruchsinns als Grundlage von Zugangskontrollen ungeeignet. Für sinnvoll halten sie deswegen den umgekehrten Weg: Wer bei sich selbst feststellt, plötzlich nicht mehr oder deutlich schlechter riechen zu können, solle sich nach Möglichkeit isolieren und sich testen lassen, schreiben sie.
Auch für Larremore ist der Riechtest nicht der eine entscheidende Durchbruch. Aber er sieht den Nutzen des Tests optimistischer als Hopkins und Smith: »Er könnte ein weiteres nützliches Werkzeug sein, das Virus in den Griff zu bekommen«, zitiert ihn seine Universität in einer Pressemitteilung. Privat kann man das Symptom ohnehin jederzeit für Selbsttests verwenden – ein paar Küchenkräuter reichen dafür völlig aus.
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